Von Sonja Eismann

Die Musikproduzentin Jlin wurde mit ihrem ersten Album 2015 als Erneuerin des halsbrecherisch schnellen Footwork bejubelt. Jetzt geht sie mit dem Nachfolger „Black Origami“ noch einen Schritt weiter. Ganz ohne Samples schafft sie eine noch nie gehörte Form perkussiv-experimenteller Tanzmusik.

© Mahdumita Nandi

Bei einer so physischen Musik wie Footwork geht man davon aus, dass Fans sie im Club oder auf der Straße kennenlernen, an bewegten, öffentlichen orten. Wie war das bei dir?
Jlin: Komplett anders. Ich entdeckte das Genre bei Nachbar*innen, als ich vier Jahre alt war. Ich spielte im Haus einer Freundin und eine ihrer Cousinen machte mit einem Kopfhörer auf den Ohren Hausaufgaben. Auf einmal vernahm ich einen Rhythmus, den ich nie zuvor gehört hatte, und fragte sie, ob ich auch mal den Walkman haben dürtfe. Sie reichte mir den Kopfhörer und nachdem ich den Sound gehört hatte, konnte ich ihn nie wieder vergessen. Clubs mag ich eigentlich nicht, das ist einfach nicht mein Ding. Mein Musikkonsum findet hauptsächlich in meinem Schlafzimmer statt. Das erste Mal, dass ich einen Club betrat, war tatsächlich, als ich einen Auftritt hatte.

Du hast Footwork also nicht über eine Community oder eine Tanzszene erlebt?
Nein, gar nicht, ich habe die Musik selbst erforscht, ganz für mich allein in meiner eigenen Zeit.

Dein neues Album hat die ursprünglichen Footworksounds zu einer Form von experimenteller, rhythmischer Musik weiterentwickelt, die es vorher so noch nie gegeben hat. Was hat dich dazu inspiriert?
Es fing alles damit an, dass mich mein erstes Album „Dark Energy“ ermüdete. Ich habe es irgendwann nicht mehr ertragen, Tracks daraus zu hören. Das war der Punkt, an dem ich die Entscheidung traf, dass ich von jetzt ab etwas anderes wollte. Ich wollte etwas kreieren, das mich bis in meinen Kern herausfordern würde. Eine der größten Inspirationen für „Black Origami“ war es, die Tänzerin Avril in Bewegung zu sehen. Sie versteht es hervorragend, meine Rhythmen durch ihren Tanz auszudrücken.

Wie kam die Zusammenarbeit mit der indischen Choreografin Avril Stormy Unger zustande?
Gerade haben wir uns gestritten – unsere Zusammenarbeit ist also so einfach wie kompliziert. Wir kamen über eine Social-Media-Plattform miteinander in Kontakt, nachdem ich ein Video von ihr gefunden hatte, in dem sie zur Musik von Telefon Tel Aviv tanzt. Ich war von der Brillanz ihrer Energie überwältigt und wusste sofort: Das passt. Klar stimmen ihre Bewegungen und meine Rhythmen perfekt überein, aber noch faszinierender finde ich, dass ihre und meine Energie so komplett synchron sind: Kaboom! Avril sagt immer, dass sie schon in meinem ersten Album indische Rhythmen gefunden hat, obwohl ich damals noch überhaupt keine Ahnung davon hatte. In den letzten zwei Jahren haben wir viele Ideen, Sounds und Videos ausgetauscht. Da wir beide auf verschiedenen Hälften des Planeten leben, arbeiten wir meist online miteinander, oder wenn ich gerade in Indien bin – wenn wir uns nicht mal wieder streiten.

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