Von Ana Maria Michel

Ein Zufall führt Katharina und Erich zusammen: Als Katharina von zu Hause abhaut, werden sie Nachbar*innen und freunden sich an. Erich erforscht als Wissenschaftler die Wälder Sibiriens, Katharina hofft auf seine Hilfe. Ihr Vater arbeitet seit Kurzem irgendwo in Russland, doch sie weiß nicht wo. Alleine mit der Mutter hält sie es nicht aus.

© Detlef Heese

Erich lernte auf einer Forschungsreise in Sibirien seine Frau kennen, zusammen gingen sie nach Deutschland. Die Abmachung, im Alter wieder zurück in ihre Heimat zu ziehen, hält er nicht ein – seine Frau geht ohne ihn. So pflanzt Erich Bäume in sein Schlafzimmer, um wenigstens in seinen Träumen wieder in Russland zu sein. Aber der alte Mann kann sich nicht mehr um seinen Wald kümmern, er ist zu groß geworden.

Ada Dorians erster Roman – für den die Autorin 2016 für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert wurde – setzt die Geschichten der zwei Figuren parallel. Verbunden werden sie dabei durch die sibirischen Wälder, die voller Gefahren sind, aber auch Trost spenden. „Betrunkene Bäume“ heißt das Phänomen, das Erich erforscht: Im schmelzenden Permafrost verlieren die Bäume den Halt, sie geraten in Schieflage. Dieses Bild lässt sich auf Dorians Figuren übertragen – sie geraten aus dem Gleichgewicht, wissen nicht, wohin sie gehören.

Ada Dorian „Betrunkene Bäume“
Ullstein, 272 S., 18 Euro

Katharina und Erich bleiben in ihren Rollen zwar schablonenartig – sie, der rebellische Teenager, der auf die schiefe Bahn gerät, er, der sture Alte, der nicht anerkennen will, dass er Hilfe braucht – und zu viele Zufälle lassen die Geschichte stark konstruiert wirken. Doch Dorians Roman enthält auch immer wieder Unerwartetes. Auch das gelungene Bild des Waldes im Schlafzimmer gehört dazu.