Von Christina Mohr

Die isländische Singer/Songwriterin Sóley ist eine im Grunde tief melancholische Person. Vor den Aufnahmen zu ihrem neuen Album schrieb sie sich einen Merkzettel, dass sie dieses Mal unbedingt über Hoffnung und den Frühling schreiben müsste. Sie malte sogar ihr Studio in bunten Farben an, damit nicht doch wieder die Schwermut überhandnähme.

© Birgisdóttir Ingibjörg

Und tatsächlich unterscheidet sich die neue Platte stark von ihrem düsteren, morbiden Vorgänger „Ask The Deep“ – selbst das Cover von „Endless Summer“ ist in zarten Pastellfarben gehalten, die ihre klangliche Entsprechung in den schwerelos hingetüpfelten Klavierklängen Sóleys finden, zu denen sie mehr haucht als singt. Die Grundtonart ist eindeutig Dur, kein niederdrückendes Moll mehr.

Multiinstrumentalistin Sóley sitzt jedoch nicht nur am Klavier, es sind auch Klarinetten, Posaunen und Streicher zu hören – vergleichbar mit Agnes Obel und Joanna Newsom erweitert auch Sóley den Folk-Pop-Rahmen, klingt mehr nach klassischer Musikerin als nach Indie-Pop. Manche Stücke wie der ihrer kleinen Tochter gewidmete Opener „Úa“ oder „Sing Wood To Silence“ wirken so fragil wie erhaben, beinah sakral. Es passt daher gut, dass Sóley auf ihrer anstehenden Tournee gleich in mehreren ehemaligen Kirchen auftreten wird: Diese Musik fordert bei aller Zurückhaltung eine gewisse Andacht, ist in Bars und auf Partys fehl am Platz.

Sóley „Endless Summer“
(Morr Music/Indigo), bereits ersch.

Trotz der heiteren Dur-Stimmung kommt die Melancholikerin in Sóley aber dann doch immer wieder durch: „We grow up and then we die“, wiederholt sie mantraartig in einem ansonsten fröhlich klingenden Song, und vielleicht ist es doch die viel beschworene Natur Islands, die ihren Bewohner*innen zeigt, dass sich auch im endlosesten Sommer schon der Winter ankündigt.