Von Stefanie Lohaus

Sich Feministin zu nennen, gilt heute als cool. Dem war nicht immer so. Das zeigt die Geschichte der feministischen Selbst- und Fremdzuschreibungen und ihrer Bedeutungen.

Es ist der 19. Oktober 2008. Morgen erscheint die erste Ausgabe des Missy Magazine, das Sonja Eismann, Chris Köver und ich Anfang des Jahres gegründet haben. Das ist ja schon aufregend genug – aber dann noch: ein feministisches Magazin! Ich bin Feministin. Ich weiß es schon länger, aber morgen weiß es die ganze Welt. Oder zumindest meine Familie, meine Freund*innen, mein Umfeld. Was werden sie denken? In meinem Kopf rotieren all die Stereotype über Feministinnen, die es so gibt: hässlich, wütend, machen Männer für ihr eigenes Unglück verantwortlich und wollen, dass Frauen bevorzugt werden, beschweren sich ständig, sind unsympathisch. Natürlich ist das Quatsch. Aber wissen das die anderen auch?

© Collage Missy Magazine/Pixabay, Hans/Shutterstock, Welf Aaron

Es kommen mir die Bilder, die ich selbst von Feministinnen habe, in den Sinn. Ich denke bei Feminismus an die Zeitschrift „Emma“ und an Alice Schwarzer, der ich zwiespältig gegenüberstehe. Aber auch an die sehr kleine links-feministische Szene in Hamburg, mit der ich mich nur teilweise identifizieren kann.

Zu was bekenne ich mich also? Zunächst mal ist „Feministin“ eine Selbstbezeichnung, so viel ist klar. Keine Partei, kein Abzeichen. Nichts, was du von Geburt an sein kannst. Du trittst keiner Organisation bei, bekommst nichts verliehen. Du nennst dich so und dann fangen andere an, dich so zu nennen. Feministin. Und wenn du dich so nennst und handelst, hat das wiederum Auswirkungen auf das, was als feministisch wahrgenommen wird. „Feministisch ist das, was eine Feministin tut“, sagt die Feministin Antje Schrupp. „Nicht alles, was eine Feministin tut, ist feministisch“, behauptet wiederum Andi Zeisler, die Gründerin des US-amerikanischen „Bitch“-Magazins – aber diese Auseinandersetzung, die steht auf einem anderen Blatt.

1882 benutzte die Sozialistin Hubertine Auclert den Begriff „Feministin“ in ihrer Zeitschrift „La Citoyenne“ (Die Staatsbürgerin), um sich und ihren Mitstreiterinnen für Frauenrechte einen Namen zu geben. Es war die erste feministische Selbstbezeichnung. Erst neun Jahre später gründete die Sozialistin Eugénie Potoniédie Pierre die Fédération francaise des sociétes féministes (Französische Vereinigung feministischer Organisationen), die acht feministische Gruppen umfasste. Ihre Idee war es, Frauenrechtsorganisationen mit verschiedenen Ansichten und politischen Ansätzen zum Austausch zu bewegen. Es war die erste Institution, die das Wort „Feminismus“ im Namen trug, doch sie bestand nur knapp zwei Jahre, zu groß waren – schon damals – die inhaltlichen Differenzen. Und doch hatte sie großen Einfluss auf die Verbreitung des Begriffs: 1896 begann die internationale Presse, über die euro-amerikanischen feministischen Reformbewegungen zu berichten, ihre Anliegen und ihre Protagonistinnen vorzustellen.

Das Wort fand Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch. Zuerst in Frankreich, dann in Belgien, England, Spanien, Italien, Deutschland, Griechenland und Russland. Es folgte der Sprung über den Atlantik, „Feminismus“ wurde ein gängiger Begriff in Argentinien, Kuba und den Vereinigten Staaten.

Mit der Verbreitung des Wortes begann auch ein ständiger Kampf um seine Deutungshoheit. Zum einen fingen verschiedene feministische Gruppen an, sich voneinander abzugrenzen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es allein in Frankreich zahlreiche feministische Strömungen, etwa den „familialen Feminismus“, „integrativen Feminismus“, „christlichen Feminismus“, „sozialistischen Feminismus“, „bürgerlichen Feminismus“, „radikalen Feminismus“ und „männlichen Feminismus“. In Holland konkurrierten „ethische Feministinnen“ mit „rationalen Feministinnen“.

Zeitgleich begann das, was die britische Kulturwissenschaftlerin …