Interview: Anna Mayrhauser

Seit 13 Jahren unterstützt das Kurzfilmfestival und Mentoringprojekt Girls Go Movie Mädchen auf ihrem Weg zur Filmemacherin. Seitdem nahmen 2600 Mädchen und junge Frauen an dem Projekt teil, 422 Filme von 1725  Filmemacherinnen wurden eingereicht. Ein Gespräch mit Kathrin Lämmle, Projektleiterin und Managerin und Ruth Hutter, Künstlerische Leiterin des Festivals.

©Petra Arnold

Girls Go Movie ist nicht nur ein Kurzfilmfestival, sondern bietet auch ein Mentoring-Projekt für Mädchen und junge Frauen. Warum braucht es eine spezifische Nachwuchsförderung für Mädchen im Filmbereich?
Kathrin Lämmle: Mädchen sind nach wie vor in technischen Berufen unterrepräsentiert. Wir wollen Mädchen unterstützen, sich beim Filmemachen auch in die technischen Bereiche zu wagen. Die Erfahrung zeigt, dass ansonsten die Jungs die Technik übernehmen und die Mädchen lieber vor die Kamera wollen oder sich als Visagistin betätigen. Deshalb ist Girls Go Movie ein Festival nur für Mädchen – und sie müssen alles selber machen und die Scheu überwinden, eine Kamera selbst zu bedienen. Wir wollen Mädchen gezielt im technischen Bereich fördern, und gleichzeitig einen Raum bieten, in dem Mädchen sich künstlerisch ausdrücken können und sich selbst nicht zurücknehmen.

Ruth Hutter: Außerdem: Wenn du die Technik bedienst, hast du auch die Macht. (lacht)

Das Projekt gibt es jetzt seit 13 Jahren. Hat sich aus eurer Sicht seitdem diesbezüglich viel getan?
RH: Ja, ich würde schon sagen, wir stoßen auf großes Interesse. Heute gibt es auch Vereine wie Pro Quote Regie. Trotzdem: Den Ausbildungsweg als Filmemacherin schlagen viele Frauen ein, aber den Weg in die Selbstständigkeit als Filmemacherin wählen wenige.

KL: Technik ist heute leichter zugänglich. In meiner Generation musste man sich noch ein dicke Kamera kaufen. Heute ist der Ausgangspunkt anders. Durch diese Demokratisierung der Technik werden viele Hürden – auch für Mädchen – abgebaut.

Welche Filme, die in den letzten Jahren eingereicht wurden, sind euch besonders in Erinnerung geblieben?
RH: Wir haben eine Teilnehmerin, die schon mitmacht seit sie 12 Jahre alt ist. Sie organisiert alles selbstverständlich selbst und hat schon mit 12 Verträge mit ihren Darsteller*innen abgeschlossen (lacht). Diesem Jahr hat sie ihren dritten Film bei uns abgeben. Jetzt ist sie 16, hat wieder einen unglaublich tollen Film gemacht und wird sicher einmal auf eine Filmhochschule gehen. Sie ist mit uns gewachsen. Mädchen wie sie gibt es einige, ich nenne sie nur als Beispiel.

KL: Es geht auch darum, einen Raum zu schaffen, wo man offen weibliche Themen und Sichtweisen verhandeln kann und den weiblichen Umgang mit dem Medium zeigen kann und sich nicht verstecken muss. Ein Film der mir besonders in Gedächtnis geblieben ist, heißt „Warum passieren schlimme Dinge.“ Das war ein sehr starker Film, der Fragen stellte wie: Warum werden Kinder missbraucht? Warum werden Tiere gequält?
Der Filme arbeitet mit ganz starken Bilder und hat auf der Kinoleinwand richtig eingeschlagen. Manchmal passiert es auch, dass eine unserer Mitarbeiterinnen sagt, wir müssen da jetzt auch Sozialarbeiter*innen einschalten. Es tauchen Themen auf, wo man sensibler sein muss. Die Mädchen erzählen etwa, dass sie von älteren Jungs auf dem Spielplatz belästigt werden. Das ist ein Aspekt mit dem wir immer wieder zu tun haben.

RH: Die Filme, die bei uns eingereicht werden, bieten ein ganz gutes Bild, was Frauen zwischen 12 und 27 Jahren bedrückt. Aber es gibt auch humorvolle Filme.

Welchen Themen beschäftigen die Mädchen und jungen Frauen  in den Filmen besonders?
RH: Was sich wie ein roter Faden durchzieht, ist der unglaublich selbstkritische Umgang von Frauen mit sich selbst. Bin ich dünn genug, bin ich cool genug, bin ich klug genug? Umgang mit Selbstvertrauen, Bulimie und Magersucht – diese Themen tauchen immer wieder auf.

KL: In der Altersgruppe 15/16 kommen ganz oft Horrorfilme. Meine These ist, dass sie dann in einem Alter sind, wo sie das langsam selbst anschauen dürfen, es verkraften können und den Kitzeln brauchen. Dann sagen sie: Wir machen jetzt so etwas selbst! Im letzten Jahr gab es viel zum Thema heile Welt vs. reale Welt. Man merkt auch, welchen Einfluss Sendungen wie Germanys next Topmodel oder Schminktipps von Youtuberinnen haben.

GIRLS GO MOVIE ist ein Kurzfilmfestival mit Mentoringprogramm. Es richtet sich an Mädchen und Frauen zwischen 12 und 27 Jahren aus der Metropolregion Rhein-Neckar, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Filmbeiträge für die nächste Ausgabe, die im November in Mannheim stattfindet, könnt ihr noch bis zum 15. September 2017  hier einreichen.

Heißt das, es geht euch gar nicht so darum, den Weg in die Karriere im Filmbusiness zu ebenen, sondern eher darum das Mädchen überhaupt erst mal das Selbstbewusstsein kriegen, sich auszudrücken?
KL: Durchaus beides. Es geht auch darum, das Durchhaltevermögen zu erarbeiten, so ein Projekt überhaupt durchzustehen. Drück dein Thema aus, professionalisiere dich. Das sind alles Aspekte, die eine Rolle spiele, nichts davon hat eine höhere Priorität als das andere. Das Möglichmachen ist das was Girls Go Movie ausmacht. Und was wir auch vermitteln wollen ist: Deine Arbeit ist etwas wert.