Von Sabine Rohlf

Mit Bubikopf, Wahlrecht, kurzen Röcken oder Hosen begannen Frauen nach dem Ersten Weltkrieg, Geld zu verdienen, zu studieren, Auto zu fahren und zu rauchen. Die „Neue Frau“, wie man damals sagte, ist bis heute legendär. Auch Theresia Enzensberger ist eine selbstbewusste Frau, wenn auch der Gegenwart. Sie schreibt für „FAZ“, „Zeit online“ oder „Monopol“ und gründete das erfolgreiche „BLOCK“-Magazin. In ihrem ersten Roman „Blaupause“ erzählt sie von einer Studentin in der Weimarer Republik. Sie heißt Luise Schilling und will am Bauhaus Architektin werden.

© Rosanna Graf

Der Roman führt uns in Werkstätten und Wohnheime, zu esoterischen Vegetarier*innen, auf Partys in Weimar und Dessau, in Transvestitenbars, Salons und Kommunistenkneipen in Berlin. Es wird gearbeitet, gekokst, diskutiert und getanzt. Enzensberger lässt progressive Kulturprominenz wie Walter Gropius oder Magnus Hirschfeld auftreten, aber auch Luises konservative Familie und frühe Nationalsozialisten.

Gut recherchiert, unterhaltsam und kritisch zeigt uns der Roman, dass die goldenen Zwanziger und die viel bejubelte „Moderne“ in Design und Baukunst von Männern dominiert waren. Auch am Bauhaus sah man Frauen lieber in der Textilwerkstatt als im Architekturbüro, Luise wird an den Webstuhl geschickt. Die Schlüsse, die sie daraus zieht, sind bis heute gültig: Sie geht auf Distanz zur Arbeit prominenter „Meister“, die Hierarchien leugnen und auf konkrete, komplexe Probleme mit glatten Reißbrettlösungen antworten. Aber sie lässt sich nicht aus der Architektur vertreiben.

Ein Epilog, der Luise in die Nähe der US-amerikanischen Architekturkritikerin Jane Jacobs rückt, umreißt, wie ihr weiteres Leben verläuft – nämlich nahe am Widerstand gegen menschenfeindliche Stadtplanungen, der sich in den USA schon in den 1960er-Jahren formierte. Luise verbringt dort ihr späteres Leben, wie so viele, die in NS-Deutschland nicht mehr leben konnten oder wollten.

Theresia Enzensberger „Blaupause“
Hanser, 256 S., 22 Euro

Das Buch hat einen anderen Ton als die Romane der betont sachlichen, „neuen“ Schriftstellerinnen von damals, verschafft aber Leser*innen von heute – vielleicht gerade deswegen – einen guten, sehr lebendigen Zugang zu dieser hochinteressanten Zeit. Es ist wie mit dem Cover des Buches, das eine nachkolorierte Schwarz-Weiß-Aufnahme von Bauhaus-Studierenden aus dem Jahr 1927 zeigt. Fast ein Jahrhundert alt könnte es, mit Farbe an unsere Sehgewohnheiten angepasst, auch heute aufgenommen worden sein.