Von Barbara Schulz

„Synthesizer helfen mir, den Moment so intensiv wie möglich zu spüren“, sagt die 26-jährige Moskauer Musikerin Yana Kedrina, die sich Kedr Livanskiy nennt (Russisch für Libanon-Zeder). Begonnen hat die ehemalige Filmstudentin als Punksängerin und Drummerin. Vor sechs Jahren traf sie auf die Musiker und Filmleute des Kollektivs Johns‘ Kingdom, die begannen, „überall zu jammen – in der Natur, auf dem Land, bei einer Party“, wie Kedrina „VICE“ verriet.

© Masha Demianova

Irgendwann schrieb sie allein per Ableton Songs und packte sie auf Soundcloud. Schließlich wurde das Electro-Label 2MR auf sie aufmerksam und veröffentlichte 2016 ihre erste EP „January Sun“. Die Songs verströmten kühle Retroästhetik mit schmalen Beats, kargen Melodien und Kedrinas melancholischem Gesang. Die neun Stücke auf ihrem Debütalbum „Ariadna“ klingen indes polierter und üppiger, vielleicht auch wegen der neuen Synthesizer, die hier zum Einsatz kommen. Die russisch- und englischsprachigen Texte kreisen um Mythologie und Kedrinas Nachbarschaft am Moskauer Stadtrand, wo der Fluss von Wolkenkratzern und einer Mülldeponie gerahmt wird.

Kedr Livanskiy „Ariadna“
(2MR-029/Cargo)

Trotz der Inspirationen für „Ariadna“ (80er-Jahre-Izhevsk-Sound von Bands wie Stuk Bambuka V XI Chasov oder experimentelle russische Musik vom Komponisten Sergei Kurjochin) sind alle Songs durchwegs tanzbar. Der Titeltrack „Ariadna“ etwa ist ein betörender Hybrid aus kräftigem Electro zur Shoegaze-Melodie, während „Love & Cigarettes“ ähnlich begeistert wie beispielsweise „Vanessa“ von der frühen Grimes, die ähnlich arbeitete. Kedr Livanskiy ist jedoch weniger Pop. Sie fabriziert keine Ohrwürmer, sondern Sprödes, Flüchtiges, Wuchtiges – Tanzmusik in in ihrer reinen Form.