Von Hengameh Yaghoobifarah

Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, seit die in Atlanta lebende Sängerin, Songwriterin und Produzentin ABRA ihr Debütalbum „Rose“ veröffentlicht hat. Ihr Werk, bestehend aus dem Album und zwei EPs, dient als Identifikations- und Referenzpunkt jener Generationen, die mit dem Internet aufgewachsen sind und in der 1990er-Nostalgie aufblühen können – aber auch darüber hinaus.

Ein bisschen Goth, ein bisschen Cheerleader: Abra verbindet feminine Attribute mit Düsterheit © Tyler Mitchell

Zeitgenössische Diskurse wie das Zurückerobern der eigenen Emotionalität und Verletzlichkeit, eine girlyhafte Femininität abseits traditioneller Genderzuschreibungen und dystopisch-verklärte Vorstellungen von Romantik prägen ABRAs Ästhetik, wie sie sich vor allem in ihren millionenfach geklickten Musikvideos zeigt.

Was auf den ersten Blick süß bis kitschig erscheinen mag, löst ABRA auf, denn das pastellfarbene Kinderzimmer und ihre zarte Stimme werden von düsteren Elementen begleitet. Sie bezeichnet sich selbst als „Darkwave Duchess“ und fürchtet sich nicht vor Morbidität, besonders im Visuellen, wie ihr alienhaftes Alter Ego in „U Kno“ oder das scharfe Messer, dessen Klinge sie in „Roses“ ableckt, zeigen. Sie ist weder glatt noch glossy, sondern badass und ehrlich.

Ihre Songs handeln von Einsamkeit, Trennungen, Begehren und Destruktivität. Die Themen mögen den Geschmack der Jugend in ihrer Musik verstärken, doch wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass diese auch jenseits der Teenagerjahre in einer*einem brennen. Liebe spielt eine große Rolle in ihren Texten, jedoch nicht als glanzvolle Happy-End-Metapher, sondern stets mit einem bitteren Nachgeschmack. Im Genre des Neo-R&B ist sie damit nicht die Einzige – auch Künstlerinnen wie Sevdaliza oder Kelela kehren romantische Vorstellungen von Liebe, die eins gerne mit dem R&B der 1990er und frühen 2000er assoziiert, in etwas nahezu Brutales um.

Abra „Rose“
Awful Records/Ninja Tune
erscheint am 6. Oktober auf Vinyl

 

Nun erscheint „Rose“ auf Doppelvinyl, was das Nostalgiegefühl um ABRA weiter verstärken dürfte und dazu einlädt, den Herbst Kaugummi kauend und mit klebrigem Gloss auf den Lippen im Bett zu verbringen.