Von Christian Schmacht

Depressionen seit Wochen, aber ein frischer Testo-Shot in meiner Arschbacke wandelt sie um in Euphorie. Der Arzt, der mir die Testosteronspritze verschreibt, inszeniert sich als verständnisvoll. Ich spüre, dass er meine Probleme (Testo macht mich depressiv! Meine Haare fallen aus!) nicht ernst nimmt. Ich spreche aus dem Bauch, damit meine Stimme meine fehlende Männlichkeitsvorführung wettmacht (das kann sie nicht, nie, aber in dieser Situation geht es nicht um das Ergebnis, sondern um Demut. Ich soll Demut zeigen vor dem Mannsein und das tue ich!).

Das feministische Einhorn ist geschockt: Ist das etwa eine Hure-Hure und keine heilige Hure? © Tine Fetz

Der Testo-Shot weckt meine Erlebnissehnsucht. Alice, das Sexmonster, übernimmt meinen Körper. Ich trage eine Lockenperücke und ein Krankenschwesterkleid, das meinen Hintern nicht bedeckt. Skyler sagt dazu: ein Sexoutfit. Wir gehen auf eine Antifa-Party und ein paar Typen vor dem Eingang sagen: „Da kommen die Schlampen.“ Alice spürt keine Blicke und keine Kritik. Sie tanzt und zeigt ihre Titten, nicht meine, denn es sind nicht in dem Sinne meine, ich will sie nicht.

Letzten Monat, nach meiner Kolumne, kam eine Kommentarflut beim Missy Magazine an. Aber nur auf Facebook und weil ich keinen Account habe, konnte ich mich nicht dazu verhalten. Das gab mir die Zeit, sie sacken zu lassen und zu begreifen, dass die meisten Kommentare mich objektifizieren und entmenschlichen.

Auf Facebook, im Thread unter meiner Kolumne, zeigte sich die Kontrolllust des bürgerlich-feministischen Mainstreams über jede unserer Äußerungen, auch über die meiner mutigen, großzügigen und eloquenten Kolleg*innen. Feminismus ist so lange ein glitzerndes, süßes Ding, bis er dir in Gestalt von Missy-Leser*innen vor die Füße spuckt, weil du es gewagt hast, deine vergeschlechtlichte Erniedrigung in einen Geldwert zu setzen.

Als wäre es nicht genug, dass wir in der Sexindustrie arbeiten, so werden auch wir Prostituierte noch mal aufgeteilt in Heilige und Huren. Wenn wir schwach erscheinen, wenig Geld verdienen und unter unserer Arbeit leiden, dann sind wir heilige Huren. Wenn wir Kohle scheffeln, empowert sind und sagen, dass wir unsere Arbeit lieben, dann sind wir Huren-Huren.

Ich bin nicht empowert, ich liebe meine Arbeit nicht und ich habe öfter für zwanzig Euro geblasen, als ich erinnern kann. Ich hasse meine Arbeit weniger als alle anderen Jobs, die ich vorher so machen musste. Ich habe diese Kolumne hier und schreibe, was ich will (danke, Missy!). Und ich habe Freund*innen und Kolleg*innen, die die Hurenhierarchie verweigern.

Bei Razzien werden meine Personalien aufgenommen und die Polizei weiß, wenn sie mich irgendwo aufgreift, was ich bin. Zusätzlich muss ich bald einen Hurenpass mit mir rumtragen, auf dem meine Daten und mein Foto mit Berufsbezeichnung zu sehen sind.

Drei Tage nach dem Shot ist alles wieder beim Alten. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland; die AfD im Bundestag, bald ist 2018 und der Hurenpass kommt, nichts hilft.

Diese Version wurde am 30. Oktober 2017 geändert.