Von Tove Tovesson

Diese Woche habe ich eine neue Arbeit begonnen. Mein Nebenjob brummt, ich bin erkältet und diese Kolumne ist nicht sehr gut bezahlt, aber ich hänge an ihr, weil ich gerne für die Missy schreibe. Ich sage gerne, dass ich für die Missy schreibe, wenn jemand fragt, was ich so mache. Vorhin habe ich einen Text über meine Erwerbslosigkeit geschrieben, der mir dann aber doch zu random und intim gleichzeitig wurde, weshalb ich nun noch diesen Text schreiben muss. Die Kolumne ist also diesen Monat doppelt so schlecht bezahlt – das ergibt halb so gut. Legt euch doch mal ein Missy-Abo zu.

Aquarien sind schön, solange nichts passiert. © Tine Fetz

Dass ich einen Text für die Kolumne schreibe und ihn dann nicht verwende, mache ich öfter so, weil ich nicht möchte, dass etwas Schlimmes passiert. Also es ist mir wirklich generell am liebsten, wenn nichts passiert. Das ist aber selten so. Außerdem geht euch das alles gar nichts an.

Neulich habe ich mich unter meinem bürgerlichen Namen auf Facebook registriert, um in einer Reptiliengruppe nach Heimchen für meine Mauerseglerjungen zu fragen (ein Notfall), und dann mit Entsetzen festgestellt, dass meine Kolumne auf Facebook tatsächlich aktiv rezipiert wird. Eine Unverschämtheit.

Manchmal lese ich Aktivist*innen auf Twitter oder schaue Videos von queeren YouTuber*innen und denke, hoffentlich passiert denen nichts. In so einer Welt lebe ich, „2017“.

Neulich habe ich mich gefragt, wie performativ diese Kolumne ist, die ich bisher schon so grob unter Netzaktivismus verorten würde. Ich habe mir nicht geantwortet. Gleich nach meinem Wunsch, dass nichts passieren möge, kommt der Wunsch, dass linke Parolen die Menschheit in einen emanzipativen Blutrausch stürzen, aber kaum arbeite ich 40 Stunden die Woche, bin ich schon zufrieden, wenn meine Mutter nicht rechtsradikal ist und ich vor 23 Uhr im Bett liege. Jetzt ist es 22:48 Uhr.

Ich habe seit meiner Kindheit einen Albtraum, der sich in Variationen wiederholt: Ich betrete den hintersten Kellerraum meines Elternhauses und finde darin Aquarien vor, die ich offensichtlich jahrelang vergessen habe und um die ich mich nun kümmern muss. Früher war oft der Boden überschwemmt, viele Aquarien annähernd ausgetrocknet, verwuchert, die Fische halb verhungert oder zu garstigen Tiefseeungeheuern herangewachsen. Jahrelang wusste ich nicht, wo ich anfangen soll und der Traum endete ergebnislos. Oft suche ich Futter in den Dosen und Döschen in den Aquarienunterschränken, meist finde ich keines. Einmal war ich so weit, die gruseligsten Fische mit einem Kescher zu fangen und in den eBay-Kleinanzeigen zu inserieren, aber es blieb bei der Idee.

Neulich betrat ich den Keller und einige der Aquarien waren zumindest bewohnbar, wenn auch etwas waghalsig gestapelt. Ich überlegte mir, welche Fische ich wie umsetze, damit es ihnen besser geht. Ich hoffe, ich komme noch dazu, aber ich befürchte, dass die Serie meiner Alpträume ohne Auflösung aufhört. Man muss dazu vielleicht wissen, dass mein Vater Aquarien hatte und er mir in meiner Kindheit auch ein Aquarium einrichtete.

Ein gut laufendes Aquarium ist schön, wenn man über die Tatsache hinwegsehen kann, dass es eine Art Gefängnis ist. Aber wenn die Blaualgen kommen oder etwas mit den Wasserwerten nicht stimmt, ist es eine Katastrophe. In Berlin ist das Leitungswasser sehr hart, das mögen die meisten Zierfische überhaupt nicht, sonst würde ich mir vielleicht sogar wieder eines hinstellen, zur Aufarbeitung. Es ist sehr beruhigend, solange nichts passiert.