Von Sonja Eismann

Weiblich identifizierte Models führen Männerkleidung vor, männlich identifizierte Models zeigen Frauenkollektionen. Männermode wird rüschiger, Frauenmode tougher. Unisex- bzw. Agender-Entwürfe stoßen auf immer größeres Interesse in der Modebranche. Auf glossy High-Fashion-Anzeigen lächeln wunderschöne Menschen, die sowohl als feminin wie maskulin oder nichts davon gelesen werden können. Als androgyn beschriebene Models wie Tamy Glauser oder Rain Dove verweigern sich stereotypen Geschlechterrollen und werden von etablierten Häusern wie Louis Vuitton oder Vivienne Westwood gebucht. Topmodel Andreja Pejic durchlebt eine Transition, was die meisten Medien interessiert und respektvoll begleiten.

Tamy Glauser ist eins der bekanntesten androgynen Models © Goran Basic/NZZ

Es gibt Agenturen mit eigenen Abteilungen für nicht-binäre Models, wie My Friend Ned in Kapstadt, die sich Gedanken um die korrekte Adressierung ihrer Models machen, oder die New Yorker Agentur Trans Models, die nicht nur trans Personen, sondern auch all jene bei sich sehen möchte, die sich als gender non-conforming oder non-binary verstehen. Und sogar der „Playboy“, dessen härteste Währung bis dato das altbacken erotische Märchen von den zwei Geschlechtern war, zeigt – direkt nach dem Tod des Patriarchen Hugh Hefner – mit dem französischen Model Ines Rau zum ersten Mal eine trans Frau auf dem Cover. Während Donald Trump den Kleidungsbacklash herbeisehnt und möchte, dass Frauen, die für ihn arbeiten, sich „wie Frauen kleiden“ – was auch immer das konkret bedeuten mag –, weichen in der Fashionwelt alte Genderkategorien immer mehr auf.

Binäre Geschlechtergrenzen sind in der Mode, wie in der gesamten Gesellschaft, im weitesten Sinne ein Produkt der bürgerlichen Geschlechtertrennung. Verliefen doch die sozialen Trennlinien vor der Französischen Revolution auch modisch bekanntlich nicht primär zwischen den Geschlechtern, sondern zwischen den Klassen, sodass die Privilegierten sich, ungeachtet des Geschlechts, möglichst prunkig ausschmückten, während der Rest sich mehr oder weniger prosaisch gewanden musste. Doch auch nach dieser Neuordnung war das Überschreiten der Schranken der Zweiteilung immer wieder Teil des modischen Spiels – man denke nur an die femininen Männer der Hippies oder die maskulinen Frauen des Punk, um zwei willkürlich gewählte Beispiele aus dem Bereich westlicher Popkultur zu nennen.

Neu ist diese Begeisterung für die Auflösung der etablierten Geschlechterordnung also nicht. Gerade in den letzten Jahren hat die Fashionindustrie, stets auf der Suche nach neuen Kicks und Images, auch Reservoirs abseits cisnormativer Beautyideale angezapft. Mehr Diversität ist die Devise, wenn auch mithin nur zögerlich oder mit höchst fragwürdigem Freakfaktor.

Was für die einen ein aufregender neuer Trend ist, mit dem die eigene Weltoffenheit unter Beweis gestellt werden kann, bedeutet für die anderen jedoch Identität und Alltag. So setzte sich die „US Vogue“ mitten in die Nesseln, als sie im Juli dieses Jahres proklamierte, Model Gigi Hadid und ihr singender Boyfriend Zayn Malik seien „Teil einer neuen Generation, die Genderfluidität zelebriert“. Evidenz für diese mehr als steile These waren für die Zeitschrift Aussagen wie die von Hadid, sie bediene sich die ganze Zeit aus dem Kleiderschrank ihres Freundes. Oder die von Malik, er borge sich gerne mal ein Anna-Sui-T-Shirt seiner Partnerin, auch wenn es…