Von Leyla Yenirce

„Was denkst du eigentlich über die Situation in Afrîn?“ Diese Frage wurde mir neulich auf einer Party gestellt und mit einem „Ja, was soll ich dazu denken? Find ich scheiße!“ beantwortet. Es passiert leider oft, dass ich in solchen Situationen auf den Krieg in Kurdistan angesprochen werde, obwohl es schlicht unangemessen ist. Vielen Menschen scheint dies aber egal zu sein, solange sie auf ihr Wissen oder ihre Anteilnahme abwichsen können.

Auf einer Party abzuschalten wäre schön, aber nicht immer möglich © Tine Fetz

Sie tun es auf Kosten jener, die ohnehin schon persönlich mit der Situation konfrontiert sind und Orte aufsuchen, in denen sie eigentlich mal kurz vergessen wollen, was in der Welt da draußen vor sich geht. Aber diese Orte gibt es nicht, denn auch wenn man eine vermeintliche Flucht visiert, gibt es immer noch Menschen, die aufgrund von Phänotypen davon ausgehen, das Betroffene nichts lieber tun, als 24/7 über Krieg zu sprechen.

Es ist nicht so, dass ich als Kurdin nicht genug damit zu tun habe. Es ist keine dreieinhalb Jahre her, als der sogenannte Islamische Staat die Êzid*innen im Nordirak massakriert hat. Jetzt zerbombt das türkischen Militär eine Stadt, in der die Menschen in Syrien noch halbwegs friedlich leben konnten. Die Stimmung in meinem Elternhaus ist apokalyptisch, vergangene Traumata kommen hoch, noch ehe sie in die Tiefen des Unterbewusstseins verschwinden konnten, und Türkeiflüge werden gecancelt, weil man sich nicht in die Nähe eines Kriegsgebiets begeben möchte.

Der Krieg ist omnipräsent auch in Deutschland, denn deutsche Medien gehören genau so zu meinem Alltag wie êzidische und kurdische Medien. Sie sind Teil meiner Realität und auch wenn ich nicht vor Ort bin, heißt es nicht, dass mein persönlicher Bezug nicht auch in der Diaspora stattfindet. Nur möchte ich oft gerne selber entscheiden, wann ich über meine familiäre und persönliche Auseinandersetzung hinaus über Krieg sprechen möchte und mit wem. Gerade wenn man sich viel mit dem Thema befasst, sind es die Kaffees mit Freund*innen oder eine Party, die einen für kurze Zeit abschalten lassen. Diese Stunden der Erholung sind wichtig, um resilient zu bleiben und danach weiter darüber zu sprechen. Nur ist die Tanzfläche nicht der richtige Ort dafür.

Das Problem ist, dass es Menschen oft nur tun, um zu zeigen, dass sie sich auch mit dem Thema befassen. Schön für dich, aber nicht für mich. Jemand, der mir mit dem Drink in der Hand halb lallend davon erzählt, wie schlimm er den Krieg in Kurdistan findet, während ich eigentlich nur mit meinen Freund*innen den Booty shaken möchte, tut dies letztendlich, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und sich anteilnehmend darzustellen. Das ist leider die falsche Strategie und darüber hinaus auch eine ziemlich egoistische.

Wer nämlich aktiv gegen den Krieg in Kurdistan vorgehen oder sich solidarisch zeigen möchte, sollte mich nicht beim Ausgehen volllabern, sondern gegen Erdogan oder deutsche Waffenexporte auf die Straße gehen. Das ist Solidarität, die ich mir wünsche. Wie viel jemand über den Krieg weiß oder darüber denkt, interessiert mich nicht, wenn ich kurz Abstand gewinnen will. Und in gewisser Form ist es sogar rassistisch, weil aufgrund meines Aussehens automatisch davon ausgegangen wird, dass ich Expertin bin. Bin ich aber nicht, ich bin weder vor Ort, noch betreibe ich tiefergehende journalistische Recherchen zu diesem Thema. Meine Auseinandersetzung findet vor allem auf familiärer Ebene statt und diese ist eben persönlich.

Deswegen mein Tipp: Organisiert lieber eine Demo oder lest kurdische Medien, statt meinen Twerk zu unterbrechen.