Interview: Stefanie Lohaus

Missy: Am 01. März wurde zum ersten Mal der Pinke Pudel verliehen. Was ist der Pinke Pudel überhaupt?
Stevie Schmiedel: Der Pinke Pudel ist ein Positivpreis für die Werbung, die mit Geschlechterstereotypen bricht. Es gibt ihn seit zwei Jahren auch in Cannes unter dem Namen Glass Lion. Der Glass Lion wurde 2015 von Philip Thomas, dem CEO der Filmfestspiele in Cannes, eingeführt. Er war der Meinung, dass die Werbebranche auch Verantwortung trägt. Das ist eine Haltung, die in Deutschland sehr selten anzutreffen ist. Hier wird immer davon gesprochen, dass Werbung lediglich Spiegel der Gesellschaft sei und keine Vorreiterrolle hätte. Wir haben uns gefragt: Warum gibt es so einen Preis nicht hierzulande? Und weil der Deutsche Werbefilmpreis so einen Preis nicht kennt, haben wir das selbst in die Hand genommen und ihn ausgerufen.

Stevie Schmiedel. ©Yvonne Schmedemann

Wie viele Einsendungen gab es?
Ich träume seit der Gründung von Pinkstinks vor sechs Jahren von diesem Pinken Pudel, aber ich wurde von Kolleg*innen bisher immer demotiviert. Alle sind der Meinung: Man muss protestieren, um in die Öffentlichkeit zu kommen, Positivpreise interessieren niemanden. Wir mussten feststellen, dass wir nur sechs Einsendungen bekommen haben. In der gleichen Zeit wurden über unsere App Werbemelderin über 1100 Negativbeispiele an uns geschickt. Das liegt jedoch bestimmt nicht daran, dass der Positivpreis niemanden interessiert, sondern dass es in Deutschland wenig an positiver Werbung vorzuweisen gibt.

Mit der App Werbemelder*in lässt sich sexistische Werbung einfach melden. © Pink Stinks

Was waren die Voraussetzungen? Waren diese vielleicht zu hoch?
Die Voraussetzung war lediglich, dass mit Geschlechterstereotypen gebrochen wird. Für die Jury, in der du ja auch saßt, war dann noch wichtig, dass eine große Reichweite zu sehen ist und dass es sich auch um einen kreativen Ansatz handelte. Das sind keine schwierigen Kriterien.

Wie schneidet Deutschland im internationalen Vergleich ab?
Gerade Großbritannien und die USA sind da ein Stück weiter. Der britische Werberat, die Advertising Standards Authority (ASA), hat im letzten Jahr eine Studie zu der Frage publiziert, ob „Gendermarketing“ Kindern schadet. Die Antwort war ganz klar: ja. Die Studie hat gezeigt, dass die ständige Reproduktion von einseitigen Geschlechterrollen der Entwicklung von Kindern schadet, etwa, dass Mädchen sich als passiv und weniger machtvoll definieren, wenn sie mit Gendermarketing konfrontiert wurden. Daraufhin hat die ASA verkündet, dass sie stereotype Werbung in Zukunft stärker ahnden wird. Für die Werbebranche selbst war das sehr produktiv, viele Agenturen haben gesagt, dass sie darauf achten werden, Geschlechterstereotype zu vermeiden. In London ist Sexismus in der Außenwerbung sogar bereits verboten.

Auch in Berlin, im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, gibt es ein solches Werbeverbot für die Außenwerbung. Wie beurteilst du das?
Das wurde kurz nach unserer ersten großen Demo gegen Sexismus in der Werbung in Berlin eingeführt. Ich war damals auf dem Podium zugegen, zusammen mit dem Werberat, dem Amt für Werbefreiheit und der Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). Ich habe gegen dieses Verbot argumentiert, weil mir die Kriterien überzogen schienen und weil ich es schwierig fand, wenn einzelne Kommunen nach willkürlichen Kriterien anfangen, Werbung zu verbieten. Die Werbebranche braucht klare Regeln und je kleinteiliger sie sind, desto mehr Protest gibt es von konservativer Seite und der Politik. Wir sind für eine bundesweite Einführung von klaren Regeln, die gut durchdacht sind. Solche Regeln schlagen wir vor. Solche Regeln sind übrigens von Bremen und Frankfurt aufgenommen worden, die jetzt auch Sexismus in der Außenwerbung verboten haben. Sie halten sich an die Regeln des Werberats, die auch unseren sehr ähnlich sind, und das empfinden wir als sinnvoller.

Wie können mehr Anreize geschaffen werden, damit Werbeagenturen anfangen, Werbung anders zu machen?
Die Linke in Hamburg denkt in die Richtung, dass nur Werbung, die mit Stereotypen bricht, auf städtischen Flächen gezeigt werden soll. Auch europaweit gibt es diesen Trend: weg vom Verbot, hin zum Gebot.

Der Preisträger des Pudels sind Hornbach und die Sparkasse. Warum diese beiden? Der prämierte Hornbach-Clip zeigt eine Frau, die völlig selbstverständlich schwerste körperliche Arbeit verrichtet: Sie reißt eine Wand ein. Dabei bricht die Wut auf den gesellschaftlichen Druck, der auf Frauen lastet, ihren Bann. Wortwörtlich schlägt sie die Stereotype mit dem Hammer ein. Das ist mutig. Hornbach hat zudem eine lange Tradition, mit Geschlechterstereotypen zu brechen, in anderen Clips werden etwa auch männliche Stereotype angegangen. Die Kampagne der Sparkasse zeigt eine männliche Fee. Ein Mann, der selbstverständlich und ohne sich auch nur ansatzweise drüber lustig zu machen Frauenkleidung trägt. Gerade in dieser Selbstverständlichkeit ist das sehr sympathisch und überzeugend.