Von Christian Schmacht

Ich habe beruflich zu vielen Männern Kontakt. Männer erklären gern. Sie erklären mir: „Geld ist nur ein Ding. Es ist nichts Reales. Geld ist nichts. Nimm es nicht ernst.“ Sie stellen eine kognitive Dissonanz her. Das bedeutet, jemand sagt, der Himmel ist grün, und ich gucke nach oben und merke: Der Himmel ist nicht grün, er ist blau. Aber dieser Jemand ist so überzeugend, dass ich mich frage, ist der Himmel vielleicht doch grün?

© Tine Fetz

Was sie sagen wollen, aber nicht können, weil sie es meist selbst nicht wissen, ist dies: Hör auf, unsere Beziehung in Geldwert umzurechnen. Hör auf, unsere Beziehung zu einer Beziehung der Waren zu machen. Aber wie kann ich damit aufhören? Wie? Ich reproduziere ihre Arbeitskraft, wenn sie mich im Bordell besuchen. Damit sind sie es, die unsere Beziehung als einen Austausch von Gütern wünschen. Meine sexuelle Arbeit schöpfe ich aus keiner unendlich tiefen Quelle. Sie ist kein Feld, das endlos abgeerntet werden kann. Sie ist nicht wie der Mond, der kostenlos und für immer und auf alle herunterscheint.

Ich bin ein spirituelles Wesen. Ich bin fähig, an alles und nichts zu glauben. Ich lade Gegenstände mit Bedeutung auf, animiere sie, mache sie zu etwas Lebendigem, verleihe ihnen Eigenschaften, Botschaften, Sinn, Wert. Vielleicht, weil ich es nicht ertrage, dass sie tot sind, dass sie anders sind als ich, dass sie nichts sind, nichts bedeuten? Dass eines Tages auch ich tot sein werde?

Ich lade sie mit all dem auf, wie der Vollmond einen Kristall auflädt, und bin umgeben von Magie.

Männer fordern mich auf: Unterlasse es, das Geld zu fetischisieren. Sie klettern auf den Berg Sinai und erhalten von Gott die zehn Gebote, in Stein gemeißelt, und schleppen sie den Berg herunter. Als sie endlich wieder unten angekommen sind, da finden sie mich vor. Mich, wie ich um das Kalb tanze, das aus Gold (oder aus Geld) ist. Da fühlen sie sich verraten und nicht respektiert und schreiben eine E-Mail an meinen Verlag oder ein Traktat über mich auf ihrer Facebook-Wall, oder sie gucken mich mit Hundeaugen an und sagen: „Wieso kostet Küssen extra, ich dachte, das macht dir auch Spaß?“

Wir bemessen den Wert unserer Beziehungen zueinander im Wert der zwischen uns ausgetauschten Waren. Sie ersetzen das, was zwischen uns sein könnte. Ein Ding hat nicht nur einen Gebrauchswert, z. B. ein Glas: Ich kann daraus trinken; sondern es hat auch einen Tauschwert: drei Euro. Daher ist das Ding eine Ware. Der Tauschwert ist verwoben mit dem Dasein der Ware. Ich könnte ja sagen: Der Tauschwert ist einfach nur erfunden, also kann ich so tun, als gäbe es ihn nicht. Es ist uns aber nicht möglich, den Tauschwert einfach zu vergessen, denn er bestimmt unsere Wirklichkeit. Ich bekomme nicht das, was ich zum Leben brauche, indem ich aufhöre, an den Tauschwert der Lebensmittel zu glauben. Es ist wie ein Zauber, den wir nicht brechen können, so sehr wir ihn auch durchschauen.