Von Valerie-Siba Rousparast

Es ist so weit, die deutsche Film- und Fernsehindustrie hat mit reichlich Verspätung den Wert von aufwendig produzierten Serien begriffen. In den USA sind Seriensüchtige, die durch übermäßigen Social-Media-Konsum schon zu hibbelig für Kinobesuche sind, längst als Konsument*innengruppe bekannt. Jetzt gibt es mit „4 Blocks“ und „Babylon Berlin“ zwei teure Produktionen zu Sex and Crime auf Filmniveau.

Ali „Toni“ Hamady (Kida Khodr Ramadan, l.), sein Bruder Abbas (Veysel Gelin, r.) und Vince (Frederick Lau, M.). © ZDF, TNT

Beide führen in rasender Geschwindigkeit durch Berlins Unterwelten, Nachtclubs und Hinterzimmer. Da werden auch Krimifans zu Serientäter*innen (pun intended).
„Berlin Babylon“ basiert auf Romanen von Volker Kutscher und spielt in einer Zeit, in der die Macht­übernahme eines faschistischen Diktators für viele noch schwer vorstellbar ist, in der das Land gerade aufatmet und, verwundet und traumatisiert vom vorhergehenden Krieg, versucht, so etwas wie Normalität wiederherzustellen.

Mittendrin Polizeiinspektor Gereon Rath, der gerade von Köln nach Berlin versetzt wurde. Er kämpft mit seiner Morphiumsucht, neuen Vorgesetzten und den Nachwirkungen des Kriegs – in der authentischen Kulisse von Berlin im Jahr 1929. Vom Auto bis zum Schuh an 300 verschiedenen Dreh-orten: Für die Ausstattung wurden keine Kosten und Mühen gescheut. Möglich war das nur, weil sich für diese Produktion der Privatsender Sky 1 und die ARD in einer erstmaligen Kooperation zusammengeschlossen haben.

Zu sehen gibt es in gewohnter Weise allerdings vor allem Typen vor der Kamera. Sie rauchen, fluchen, fuchteln wild mit Pistolen und wischen sich den Schweiß von der Stirn. „Tatort“ lässt grüßen! Frauen sind außer der Protagonistin eher Randfiguren. Über die russische Spionin Svetlana Sorokina (Severija Janusauskaite) erfährt man wenig. Sie liefert selbst Liebhaber an deren politische Feinde aus und beeindruckt mit Gesangseinlagen im Nachtclub. Dort taucht auch immer wieder die Protagonistin Lotte auf, das wandelnde Klischee einer jungen, frechen Frau, direkt den Träumen eines  Drehbuchautors entsprungen.

Dabei ist Charlotte Ritter, gespielt von Liv Lisa Fries, wirklich klug, tough und finanziert nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Schwester und deren Familie – mit ihrer Arbeit als Stenotypistin im Polizeipräsidium am Tag und als Sexarbeiterin in der Nacht. Bald lernt sie Rath kennen und stellt unter Beweis, dass sie nicht zu unterschätzen ist. Dazwischen tanzt sie sich durch die wilden Nächte der goldenen Zwanziger. Wie sie das alles schafft, fragt sich nicht nur ihre Nichte.

Zurück in die Gegenwart: Auch in „4 Blocks“ dominieren Typen den Bildschirm. Sie laufen über die Sonnenallee, als wäre sie ein Laufsteg, und reden dabei wie im Intro zu einem Rapvideo von Haftbefehl. Kein Zufall, schließlich spielen die Rapper Veysel und Massiv mit, die gemeinsam mit Gringo den Soundtrack liefern. Sie sind Teil des Familienclans von Ali Hamady aka Toni, überzeugend dargestellt von Kida Khodr Ramadan. Dieser will sein kriminelles Leben hinter sich lassen. Er und seine Frau leben seit mehr als zwanzig Jahren in Deutschland und sind kurz davor, die unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Doch sein altes Leben lässt ihn nicht los, auch nicht, als sein ehemaliger Weggefährte Vince (Frederik Lau) plötzlich wieder in Berlin auftaucht.

Der mimt den abgekämpften Halbkriminellen. Schnell wird klar, dass er als einzige weiße Figur der Serie natürlich als verdeckter Ermittler auf der Seite des Gesetzes steht. Im Kontext des gegenwärtigen Narrativs von Migrant*innengeschichten schafft die …