Fehlt das Publikum? Fehlt das Angebot? Fehlt uns der Blick fürs Gute im deutschen TV? Was denken eigentlich diejenigen, die jeden Tag das Fernsehprogramm gestalten?


Katya Mader | 38 | seit 2001 Redakteurin in der Filmredaktion 3sat im ZDF

Seit über zehn Jahren stellt die Doku-Reihe „Mädchengeschichten“ 17-jährige Mädchen aus verschiedenen Ländern der Welt vor. Wie kam es zu der Idee? Die Reihe wurde 1998 von meiner Redaktionsleiterin Inge Classen und der Produzentin Brenda Parkerson entwickelt. Am Ende des 20. Jahrhunderts hat uns die Frage beschäftigt, wer sind die Frauen von morgen? Wir wollen nicht nur verschiedene Lebensentwürfe junger Frauen präsentieren, sondern auch unterschiedliche dokumentarische Erzählweisen zeitgenössischer Regisseurinnen.

Deshalb führen bei der Reihe ausschließlich Filmemacherinnen Regie? Wir denken, dass Frauen zu den Mädchen eine unmittelbarere Beziehung herstellen können – mit größerer Nähe, Offenheit und Vertrauen. Außerdem wollen wir Frauen im Dokumentarfilm fördern, besonders im Nachwuchsbereich.

Sind die Mädchengeschichten in Ihren Augen ein feministisches Format? Das möge das Publikum selbst beurteilen.

Wie würden Sie das Bild beschreiben, das der deutsches TV-Mainstream von jungen Frauen zeichnet? Sicher ist es oft im höchsten Maße stereotyp bis reaktionär. Aber die Fernsehlandschaft ist ein weites Feld, und wenn man genau hinsieht, gibt es eine Vielzahl differenzierter Frauenfiguren zu entdecken – vor allem im Bereich des unabhängigen Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilms.

Glauben Sie, dass mehr „Mädchengeschichten“ erzählt würden, wenn mehr Frauen in den Redaktionen der Sendeanstalten säßen? In den Redaktionen sitzen bereits sehr viele Frauen. Nicht aber in den übergeordneten Hierarchien. Ob sich hinsichtlich der Programmgestaltung Wesentliches ändern würde, wenn das anders wäre, weiß ich aber auch nicht.

Was wünschen Sie sich für das deutsche Fernsehen? Eine andere Art der TV-Rezeption: die Bereitschaft, sich einzulassen auf fremde Lebenswirklichkeiten, hinzusehen und O-Tönen zuzuhören. Dass auch die leisen Töne vernehmbar werden.

Silke Cecilia Schultz | 36 | seit 2004 freie Drehbuchautorin

Wie hat man sich deine Arbeit vorzustellen? Autorin für deutsche Serien bewegst du dich in einem engen Korsett von Produktionsbudget, einer begrenzten Anzahl von Studiosets und Außenmotiven, einem vorgegebenen Zeitfenster des Senders, beim Dreh, im Schnitt und der Postproduktion. In der inhaltlichen Arbeit ist vor allem dramaturgisches Handwerk gefordert. Du musst dich innerhalb kurzer Zeit in eine bereits bestehende fiktionale Welt einarbeiten und pro Serien-Episode bis zu drei Handlungsstränge entwickeln. Etwas anders ist es bei einem TV-Movie oder Kinofilm: Da kannst du eigene Stoffideen entwickeln und anbieten.

Im deutschen Fernsehen gibt es durchaus coole ähnliche Frauenrollen. Warum findet man so wenige junge Heldinnen? Sender, die mit ihren fiktionalen Sendeformaten eine Zielgruppe zwischen 14 und 29 ansprechen wollen, scheitern daran, dass 14-Jährige andere Probleme als 20-Jährige haben und 20-Jährige wieder andere als 29-Jährige. Es fehlt an Identifikation. Für eine 39- Jährige ist die Krise einer 49-Jährigen dagegen eher nachvollziehbar.

Welche Rollenwürdest du dir für das deutsche Fernsehen noch wünschen? Weniger Kommissarinnen, Pathologinnen, Umwelt- oder Tierschützerinnen und Frauen auf der Suche nach dem Prinzen oder Versorger. Mehr radikale Frauencharaktere, die über moralische, ethische, politische und gesellschaftliche Grenzen gehen. Weniger potenzielle Schwiegersöhne, Märchenprinzen und Frauenflüsterer, mehr Männerrollen mit Eiern in der Hose und der Größe, mit Humor zu scheitern.

Patricia Baumbauer | Chefin der Schauspielagentur Baumbaueractors

Welche Frauentypen sind im deutschen TV momentan gefragt? Hauptsache jung und dynamisch. Wenn man schaut, welche Rollen derzeit geschrieben werden, ist das natürlich je nach Drehbuch verschieden. Aber meiner Meinung nach wird zu wenig experimentiert und immer noch zu sehr nach dem »Allround-Wesen« gesucht … Da sollte alles miteinander vereint sein, eine Ideal-Frau eben. Gleichzeitig traut man sich heute schon mehr als früher, zumal sich ja das typische Frauenbild in der Gesellschaft verändert hat. Eine Frau heute sollte Ecken und Kanten haben.

Älter werden: Ist das für Schauspielerinnen noch ein Problem? Nein. Die einen stehen dazu und setzen sich auch ohne Schönheits-OPs durch. Die anderen greifen eben zu Botox und Co. und stellen so die ewig junge, vitale Frau dar – wenn Sie mich fragen, ist das auf Dauer langweilig. Und das Publikum lässt sich eh nicht täuschen.

Was würden Sie sich für das deutsche TV wünschen? Mehr tolle Geschichten über Frauen oberhalb der 40. Frauen, die viel erlebt haben und sich trotzdem nicht aufgeben. Inzwischen ist es doch längst keine Strafe mehr, älter zu werden.

Annette Gerlach |  45 |  Journalistin und ModeratorinArte Journal und im rbb

Sie moderieren seit über zehn Jahren für Arte. Seit Kurzem sieht man Sie nun auch im rbb an der Seite von Jörg Thadeuz im Talk „Dickes B“. Nach Ihrer ersten Sendung dort hieß es, Sie lachten zu laut. Wie gehen Sie mit so etwas um? Meine erste Reaktion war Erstaunen. Ich weiß seit vielen Jahren, dass mein Lachen nicht unbedingt als diskret zu beschreiben ist. Es gibt nur bei den Arte- Sendungen, die ich moderiere, nicht so viele Gelegenheit, in schallendes Gelächter auszubrechen. Insofern war das erste »Dickes B« auch eine Premiere in Fragen der Betätigung der Lachmuskeln auf dem Schirm. Verunsichert hat es mich dennoch ein bisschen, denn was im Leben ohne Kamera charmant wirkt, kann einem im Fernsehen schon auf den Geist gehen. Also versuche ich jetzt, meine gutturale Fröhlichkeit etwas zurückzuschrauben, ohne dabei an Spontaneität einzubüßen …

Kommentatoren und Journalisten schwärmen gerne von Ihrem Äußeren. Sie werden oft mit Marlene Dietrich verglichen, mit der feschen Lola. Man schwelgt von Ihrem Ausschnitt und Ihrem Lächeln. Nervt Sie das? Mit 18, als ich noch Haare an den Waden und eine »Emma« in der Hand hatte, hätte ich mich empört gegen solche Reduzierungen auf mein Äußeres gewehrt, viel von inneren Werten und der unterschätzten Intelligenz schöner Frauen geantwortet. Heute sehe ich das anders. Ist es nicht ein immenser Vorteil, unterschätzt zu werden? Kann es nicht ebenso von Vorteil sein, wenn männlichen Gegenübern die Augen übergehen, und das Blut, das eigentlich ihr Gehirn beleben sollte, in ganz anderen Regionen ihres Körpers gebunden wird?

Manchmal mag es ja im eigenen Interesse sein, als Sexobjekt wahrgenommen zu werden. In anderen Situationen aber nicht. Der unverhohlen machistische Moment perlt an mir ab. Denn um Opfer von Machismus zu werden, braucht es zwei: einen, der den Machismus ausübt und eine, die sich von ihm getroffen fühlt. Und genau diese Rolle verweigere ich. Konstant und mit einem für mich befriedigendem Ergebnis.

Naja, leider sind nicht alle Opfer von Machismus in der privilegierten Situation, das tun zu können. Haben Moderatorinnen es Ihrer Meinung nach dennoch schwerer als Moderatoren? Natürlich werden weibliche und männliche Moderatoren anders wahrgenommen und auch anders behandelt – sowohl vom Publikum als auch von den noch immer überwiegend männlichen TV-Verantwortlichen. Ich glaube, dass es auch heute für eine Frau immer noch schwieriger ist, sich in einem seriösen TV-Format durchzusetzen als für einen Mann. Medien sind synonym für Macht und im großen Spiel um Einfluss und Bedeutung haben die männlichen Konkurrenten einfach ein paar Jahrhunderte mehr Training. Auch der europäische Kulturkanal glänzt hier nicht: Seit seiner Gründung gehören dem Arte-Vorstand ausschließlich Männer an. In der Nachrichtenredaktion haben wir ebenfalls klare Fronten: Die Hot News, die Nachrichten aus aller Welt, werden abends immer von Männern vorgetragen, der kulturelle Teil des Journals ist ausschließlich Moderatorinnen vorbehalten. So innovativ und zukunftsweisend die Inhalte unserer Programme oft sind – eine solche Aufteilung lässt uns doch sehr rückständig dastehen.

Was wünschen Sie sich für das deutsche TV? Anstatt uns einzulullen, sollte das Fernsehen uns wieder mehr aufklären, unsere Neugierde anstacheln und uns auch für Probleme außerhalb der Landesgrenzen sensibilisieren.