gabyberlinale-rahmen1Auf die Frage meines letzten Berlinale-Blogs: Haben Frauen in Filmen eigentlich meistens nur Sex, wenn sie einsam, traurig und/oder verwirrt sind, erhielt ich einige mails von Freunden und Kollegen. So wurde mir in Erinnerung gerufen, dass Scarlett Johannson in allen Woody Allen Filmen Spaß am Sex hat. Und zwar mehrmals. An solche Szenen erinnere ich mich sehr gerne. Danke Jürgen! Cecile de France treibt es wohl auch mit viel Vergnügen in „Ein Geheimnis“ – das werde ich mir bei Gelegenheit mal anschauen – wogegen ich auf Sandra Speichert und Heiner Lauterbach in „Der Campus“ lieber verzichten möchte, denn der Heiner, der ist ja so gar nicht mein Typ. Sophie Guilleminin vernascht wohl auch fröhlich Monsieur Dépardieu in „Das Labyrinth der Wörter“ – obwohl mir vor dem Rest der kitschigen Geschichte ein wenig gruselt. Nachher hat mein Sitznachbar wieder keine Taschentücher dabei.

Auf jeden Fall fände ich es wirklich spannend, wenn ihr weitere „heiße Filmtipps“ aus dieser Richtung schicken würdet – die Diskussion ist hiermit eröffnet.

the-bengali-detectiveEiner der anrührendsten und allerheimlichsten LIEBESFILME der Berlinale dagegen, den ich Euch ans Herz legen möchte,  ist „The Bengali Detective“, der bereits beim Sundance Filmfestival seine Premiere feierte. In dieser ergreifenden Doku über einen indischen Privatdetektiv und sein „Always Detektivteam“, die in Kalkutta spielt, geht es vordergründig um etwas ganz anderes: Die Hauptfigur der Geschichte, der Boss der Detektiv-Crew, Rajesh Ji, ist ein unglaublicher Typ, wie aus einem existentialistischen Bollywood-Film entstiegen. Während er mit seinen Mannen für Indien typische Fälle (häusliche Gewalt und Ehebruch, ein grausiger Mord und Produktpiraterie) zu lösen versucht – da die häufig korrupte oder überforderte Polizei des Landes sie nicht weiter verfolgt – bekommen wir einen einfühlsamen Einblick in sein Privatleben. Seine Frau ist schwer an Diabetes erkrankt und fast erblindet, rührend und vor allen Dingen selbstverständlich kümmert sich der stolze Ehemann und Vater um sie und ihren gemeinsamen Sohn, während er hartnäckig seine Fälle verfolgt und nach Dienstschluss zum Stressabbau mit seinen 1128828_the_bengali_detectiveJungs noch das Tanzbein schwingt. Denn sein Kindheitstraum, der auch noch Platz in seinem reichen Leben findet, war es einst, Tänzer zu werden. Deshalb meldet der moppelige Tausendsassa seine Always-Detective-Crew auch noch gleich zur Audition bei einer TV-Tanzshow an…Kaum zu glauben, dass dieser mitreißende Typ keine Erfindung eines entschieden zuviel Whisky trinkenden Drehbuchautoren ist. Wer also Lust auf eine filmisch spannend und ausgewogen umgesetzte Lektion in Sachen Ying und Yang und Lebens- und Liebesfreude hat, der sollte diesen Film nicht verpassen! (Eine meiner Lieblingsszenen, kurz vor der Audition, die dickbäuchigen Detectives in den unglaublichen Glitzerkostümen werden durch die labyrinthischen Gänge des Fernsehstudios geschleust, sagt der eine: „Gleich soll ich tanzen? Ich kann kaum atmen!“ Sagt Rajesh: „Was für eine Erfahrung!“)

Ebenfalls in der Panorama-Sektion feiert in diesem Jahr Mika Kaurismäkis Film über „Mama Africa“ seine Weltpremiere. Gemeint ist natürlich die Sängerin Miriam Makeba, die ausgerechnet mit „Pata Pata“ ihren größten Hit hatte. Die aus spannendem Archivmaterial und Interviews mit ihren engsten Weggefährten bestehende Doku umfasst fünfzig Jahre des Schaffens dieser großartigen Künstlerin, die mit ihren Leben und ihren Liedern stets mutig gegen Apartheid und für mehr Völkerverständigung eintrat. Absolut sehenswert.

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bd_fd_film_407_photo_film_1_ogh64Bleiben wir einmal in dieser Sektion, die in diesem Jahr mit der Weltpremiere des Films „Tomboy“ der französischen Regisseurin Céline Sciamma eröffnet. Es ist die Geschichte der zehnjährigen Laure, die nach ihrem Umzug von den anderen Kindern fälschlicherweise für einen Jungen gehalten wird und diese Rolle dann gerne annimmt. Aus Laure, gespielt von der sehr beeindruckenden Zoé Heran, wird Mickael…Zu dieser modernen Transgender-Geschichte vielleicht später einmal mehr.

Mehr sagen darf ich schon zu der fesselnden Film-im-Film-Geschichte „También la lluvia“ (Even the rain) von Icíar Bollaín, der Streifen hatte ja bereits in Toronto Premiere. Im Kern des Filmes geht es immer wieder darum, wie man sich verhalten soll, wenn man die Macht hat und vor der schwierigen Frage steht, hopp oder top, sie oder wir? So erging es den spanischen Eroberern unter Christoph Columbus, die 1492 den Ureinwohnern Steuern und ihren christlichen Glauben aufzwangen. Dies ist wiederum Thema des Films, den ein kleines spanisches Filmteam in Cochabamba, Bolivien, dreht. Produzent und Regisseur – die einstigen Kolonisatoren, die die Geschichte eigentlich schuldbewußt aufarbeiten wollen – sehen sich dann aber aufgrund ihres Filmbudgets nicht nur gezwungen ihre einheimischen Filmkomparsen schlecht zu bezahlen, sondern möchten sie auch zunehmend davon abzuhalten, sich bei dem bolivianischen „Wasserkrieg“ einzumischen. (Im Jahr 2000 brummte man der armen Bevölkerung unbezahlbare Tariferhöhungen auf und privatisierte Wasserressourcen, die vorher Gemeineigentum waren.) Insbesondere Daniel – Juan Carlos Aduviri ist sowohl im Film-im-Film als auch in „Even the rain“ als begnadetes schauspielerisches Naturtalent und charismatischer Anführer zu entdecken – könnte sonst das wichtige Filmprojekt platzen lassen! Und die bolivianische Regierung? Sieht sich gezwungen die unmenschliche Privatisierung des Wassers mitzutragen…Eine dicht gewebte, mit überzeugenden Schauspielern besetzte Geschichte, die sehr nachdenklich macht. Wie würdest Du entscheiden? Hopp oder top? Sie oder wir? Der Produzent sagt einmal zu Daniel: Ich bin keine verdammte NGO. An anderer Stelle sagt Daniel ruhig: Es gibt Wichtigeres als Film – und baut für den Zuschauer im dunklen Kinosaal damit eine weitere Meta-Ebene ein. Wow. Was für ein Drehbuch!

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(Wo sind eigentlich noch mal meine Unterlagen für den Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben?)

In ein paar Tagen an dieser Stelle ein paar Tipps und Gedanken zum diesjährigen Forums-Programm. Der Ticket-Vorverkauf beginnt übrigens am 7. Februar um 10 Uhr. Auch online.  Adiós muchachas!