Begonnen hat der Wettbewerb der diesjährigen Berlinale mit dem ödesten Revolutionsfilm aller Zeiten: „Leb wohl, meine Königin!“  Mit Wehmut dachten viele an Kirsten Dunst in Sofia Coppolas hinreißende Verfilmung des Lebens von „Marie Antoinette“ zurück. Diane Krugers Schauspielkunst, die wir in „Barfuss auf Nacktschnecken“ noch bewundert haben, mußte angesichts des unschlüssigen Drehbuchs versagen. Weder nehmen wir ihr in dem Film, in dem es um die letzten Tage vor Ausbruch der französischen Revolution am Hof von Versailles geht, die Königin, noch ihre lesbischen Neigungen ab. Immerhin gab es ein paar hinreißenden Roben zu bestaunen, so dass ich mich nicht wie mein Sitznachbar gezwungen sah, ein Nickerchen einzulegen.

Der zweite Wettbewerbsfilm „Aujourd’hui“ von Alain Gomis handelt auch vom nahen Tode: Ein Senegalese, gespielt von dem HipHopper und Slampoeten Saul Williams ist dem Tode geweiht. Da wir zunächst nicht ahnen können, dass es sich bei dem Film um ein Märchen/einen Traum/ein surreales Konstrukt mit realen Versatzstücken handelt, fragen wir uns, warum dieser Mann sterben muss. Was hat er verbrochen, welcher Tradition muss er folgen? Warum ist er aus Amerika, wo er studiert hat, zurückgekehrt?  All die Antworten auf diese Fragen wird uns der Film jedoch schuldig bleiben. Wir folgen ihm also durch den Tag, den er zunächst mal vergnügt, mal besorgt mit Freunden verbringt. Alles Männer. Aha kombinieren einige von uns detektivisch, wahrscheinlich ist herausgekommen, dass er homosexuell ist und deshalb muss er sterben. Doch auch dies erweist sich wieder als falsche Fährte und allmählich löst sich unser Interesse in Gleichgültigkeit auf. Schade – hätte sich der Regisseur eindeutiger entschieden, was er erzählen will – eine reale oder eine surreale Geschichte, hätte daraus ein weiser Film werden können….

Wirklich begeistert und von der ersten bis zur letzten Minute gefangengenommen hat mich bislang nur der Wettbewerbseitrag von Christian Petzold – „Barbara“ – ein weiterer Film der Berlinale, der mein DDR-Bild bereichert ( neben der Rollbrettfahrer-Doku „This ain’t California“). Wie sagte der geistreiche Regiesseur noch so treffend auf der Pressekonferenz. “ Wir reden alle so über die DDR, als müßte man nur einen Roman darüber schreiben.“ Als gäbe es nur eine Art „Treuhandroman“ zu schreiben, mit der die DDR abgewickelt würde. Dabei seien eher etliche Novellen nötig, als eine solche sieht er seinen Film auch an. Für mich der zentrale Satz dieses hochspannenden Portaits eines Einzelschicksals in der DDR  „Wenn Du im Westen bist, kannst Du auschlafen. Du brauchst nicht mehr zu arbeiten.“ Wer das zu Barbara – gespielt von einer sehr überzeugenden Nina Hoss – sagt,  ist ihr schnöseliger Westfreund, der ihr zur Flucht aus der DDR verhelfen will. In den Achtziger Jahren zuckten in der DDR bei so einer Aussage sicher die allermeisten Frauen zusammen, so auch die Ärztin Barbara, die von der Berliner Charité in ein Provinzkrankenhaus zwangsverlegt wurde, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Dort jedoch passiert, was dem Regisseur auch im wirklichen Leben gefällt und was er in Westdeutschland oft vermisst (hat): Wie bei den Erzählungen Brigitte Reimanns „wandelten sich im Osten die Arbeitsverhältnisse oft in Liebesverhältnisse“, denn für den Regisseur von „Yella“ und „Die innere Sicherheit“ gehört Liebe eher in den Bereich der „Produktion“, statt in die „Reproduktion“. Barbara trifft in dem Kinderkrankenhaus auf Andre (wunderbar als Frauen ganz selbstverständlich ebenbürtig behandelnder Chefarzt: Ronald Zehrfeld), der wegen eines ärztlichen Kunstfehlers, der in seinen Verantwortungsbereich fiel, schon ein paar Jahre früher dorthin versetzt wurde. Oder ist das nur eine Geschichte, die er Barbara auftischt, um ihr Vertrauen zu gewinnen und dem örtlichen Stasi-Mann zuzuarbeiten? Doch „die Liebe und die Revolution haben manchmal etwas miteinander zu tun“ wie Petzold lebensklug auf der anregenden Pressekonferenz verlauten liess…Dieser Regisseur kann nach eigener Aussage besser „Frauengeschichten erzählen“, weil ihm bei Männergeschichten „immer so Zeugs reinrutscht, als er 17, 18 war“. Kann er wirklich! Mein bisheriger Bärenfavorit – doch jetzt wieder auf ins Kino!

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