Ich gebe es zu: Menschen wie Ursula von der Leyen mit ihren wohlgeratenen sieben Kindern samt treusorgendem Ehemann und ihrem geradlinigen beruflichen Erfolg sind mir suspekt. Schließlich haben auch die Tage von Supermännern und Superfrauen nur 24 Stunden…Noch suspekter als Ursula war mir bislang Angelina Jolie: Sechs Kinder, Pilotenschein, schön anzuschauen, super erfolgreiche Schauspielerin, Geld wie Heu, seit zehn Jahren Sonderbotschafterin für das UNO-Flüchtlingswerk UNHCR und dazu auch noch Brad…Als ich davon hörte, dass Angelina Jolie eine Geschichte, die im Bosnienkrieg spielte, verfilmen wollte, ging es mir wie ihren aus Serben und Bosniern bunt zusammengewürfelten Schauspielern, die nach erfolgreichem Casting erfuhren, wer Regie bei „In The Land Of Blood And Honey“ führen wird: Ich hielt es für einen Witz. Wann wollte diese Frau um Himmels Willen auch noch – selbst mit einer Heerschar an Bediensteten im Rücken – Regie führen? Zudem bei einem Film, der auf keinen Fall „hollywoodlike“ geraten darf, will sie nicht die Leidtragenden dieses Krieges und Neider in aller Welt gegen sich aufbringen. Dann wurde ich aber zunehmend neugierig und war sowohl von dem Ergebnis, als auch von der Regisseurin selbst auf der Pressekonferenz in Berlin recht angenehm überrascht. Ihr melodramatischer Kriegsfilm ist ziemlich harte Kost und wird seinem Anspruch einprägsame Bilder für die Schrecken des Krieges zu finden – und insbesondere des Kriegs gegen die Frauen –  ohne sie jedoch effekthascherisch auszuschlachten, weitgehend gerecht. Doch worum geht’s? Sarajevo 1992. Ailja ist muslimische Bosnierin und Danijel ist ein Serbe, ein Christ. Sie sind frisch verliebt, gehen gemeinsam aus und flirten in einem Tanzcafé miteinander. Bis in der Disco eine Bombe explodiert. Sie markiert den furchtbaren Beginn der ethnischen Säuberungen.  Wenig später wird Ailja in ein serbisches Camp deportiert, einer der Kommandanten ist tatsächlich Danjel, dessen Vater der große General Vukojevic ist. Dank Danijels Schutzes bleibt ihr zunächst erspart, was den anderen Frauen wiederfährt: Sie werden auf das Widerlichste erniedrigt und vergewaltigt. Dieser spezielle Krieg der Männer gegen die Frauen ist im Fokus der Regiedebütantin.

In drastischen und emphatischen Bildern zeigt Jolie wie rohe Gewalt sich in Kriegszeiten gegen Frauen wendet. Und wie sie das Liebes- und Vertrauensverhältnis zwischen Menschen zerrütten kann. Auch Alija, die Danijel nicht immer schützen kann, wird schließlich misshandelt, vergewaltigt und als menschliches Schutzschild im Gefecht missbraucht. Jolie findet viele noch lange nachhallende Bilder für ihre – bis auf das allzu platte Schlussplädoyer für militärisches Eingreifen im letzten Drittel – berührende Geschichte, die sie selbst geschrieben, inszeniert und coproduziert hat. 50.000 bosnische Frauen sollen im Krieg vergewaltigt worden sein, die Dunkelziffer liege weitaus höher, sagt Angelina Jolie auf der Pressekonferenz und „jede einzelne Vergewaltigung sei eine zuviel“ fügt sie hinzu. Wie sie da sitzt, so ernsthaft und diszipliniert in dem bis zum Bersten gefüllten Konferenzraum zwischen ihren großartigen Schauspielern, die sie mit sicherer Regiehand zu führen verstanden hat, vorher und nachher im Blitzlichtgewitter – ein paar besonders penetrante Fotografen schreien noch unangenehm nach weiteren Aufnahmen als sie den Raum verlassen will – spüre ich wie wichtig ihr in ihrem selbst gewählten goldenen Käfig ihr politisches Engagement ist und wie ernst es ihr damit ist „mich und andere über diesen Krieg zu informieren, der während meiner Lebenszeit stattfand.“ Ich bin gespannt auf ihren nächsten Film.

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Noch ein Krieg der auch zu unseren Lebzeiten passiert, ist der zwischen arm und reich. Und er findet täglich vor unserer Haustür und anderswo statt. Eine Regisseurin, der dieses Sujet auch keine Ruhe lässt, die dafür aber bedachtsame und kluge Bilder findet (gemeinsam mit ihrer Kamerafrau Agnes Godard) ist die hochspannende Schweizer Regisseurin Ursula Meier. In ihrem Wettbewerbsbeitrag „L’enfant d’en haut“, der den für seine artverwandten Sozialdramen bekannten Jury-Präsidenten Mike Leigh bestimmt auch gut gefallen hat, erzählt sie die Geschichte des zwölfjährigen Jungen Simon, der sich mit seiner blutjungen „Schwester“ in einem noblen Schweizer Skiort durchs Leben schlägt. Oben in den prächtigen Bergen bei den Reichen klaut er ganz cool die Skizeugs, denn „die merken das nicht einmal, die kaufen sich das Zeug einfach noch mal.“ Unten im Tal verkauft er Skier, Brillen, Mütze, Handschuhe wieder, um so sein Leben und dass der sprunghaften Louise zu finanzieren. Doch was dieser herzerweichende kleine Macho sich eigentlich wünscht ist mit Geld nicht zu bezahlen, funktioniert in unserem System aber leider oft nur, wenn die Existenznot nicht allzu groß ist: Liebe und eine wenigstens halbwegs funktionierende Familie…. Noch ein Wort zum Darsteller des Simon, Kacey Mottet Klein, den Meier im Alter von acht Jahren bei einem wilden Casting auf der Straße für sich entdeckte: Dieses ausdrucksstarke Gesicht werden wir uns merken müssen und merken wollen! Und auch das – in diesem Filmereignis gar nicht so bezaubernde – sondern von tiefem Schmerz und vorgeschützter Kälte gezeichnete Gesicht von Léa Seydoux gefällt mir unter der Regie der Frau Meier um so vieles besser als in dem Historienschinkchen „Leb wohl, meine Königin!“ in dem sie die Vorleserin der Königin Marie Antoinette spielt. Also: Her mit der Bärin!