Genauer gesagt: Respekt, Etikette und Unterstützung – drei Dinge, die ich mir im Alltag, also jeden Tag, nicht nur samstags oder unter Freund_innen, wünsche. Auf durchschnittlich drei respektlose Begegnungen, ganz gleich in welchem Umfeld, erfahre ich (bislang) eine angemessene, fast immer große Unsicherheit und/oder Vorurteile beim Gegenüber und zuweilen schlicht Hass. Und trotzdem bin ich überzeugt, und zwar jeden Tag: Das muss nicht sein, das lässt sich ändern. Aber was ist in diesem Zusammenhang überhaupt “un/angemessen”? Und wie sieht Unterstützung aus?

Mich selbst hat vor Jahren u.a.

 

informiert, das mir ein Freund eines Tages zusteckte. Dieses Zine ist eine (deutschsprachige) Version von Micah Bazants “Trans Respect/Etiquette/Support 101”, an dem ich mich in diesem Beitrag orientiere.

Wie auch im ersten Teil (und allen Beiträgen in diesem Gastblog): Wenn Ihr konstruktive Kritik, Zustimmung, Verbesserungsvorschläge usw. habt, dann kommentiert oder macht ein eigenes (digitales) Zine.

Bescheid wissen

Sprich nicht für mich. Queere, lesbisch-schwule, feministische etc. und Trans-Kämpfe hängen zusammen, aber sie sind unterschiedlich. Nicht nur meine Trans-Erfahrung und -Geschichte innerhalb der Trans-Community ist verschieden von den Erfahrungen anderer Transmenschen, sondern auch einzelne Gruppen machen unterschiedliche Erfahrungen und haben eine unterschiedliche Geschichte. Die Erfahrungen von Intersexuellen sind anders als die Erfahrungen Transsexueller of color, die anders sind als die Erfahrungen von Drag Kings mit Behinderung, die wiederum anders sind als die weißer Cross-Dresser usw.

Ich mag nicht in einen Topf geworfen werden, Du? Weil Du mich kennengelernt hast, kannst Du nicht annehmen, dass alle Transmenschen so sind wie ich, oder dass Du jetzt generell über Trans-Belange Bescheid weißt.

Du schätzt respektvolle Ehrlichkeit? Ich auch. Ich finde es toll, jemanden sagen zu hören: “Eigentlich weiß ich nichts über Transmenschen. Ich will dich aber unterstützen und respektieren, also vergib mir meine Ignoranz. Ich werde mich im Netz umsehen und mir ein paar Bücher organisieren und anfangen, mich schlau zu machen.”

Mach Dich (noch) schlau(er)

Besuch‘ doch mal wieder eine Bibliothek, geh‘ zum Buchladen oder ins Internet. Ich finde es super hoch n mitzubekommen, dass sich jemand überlegt oder sich bereits Gedanken dazu gemacht hat, ein_e bessere Unterstützer_in/Verbündete_r zu sein oder zu werden.

Eine Riesenbitte: Sprich‘ mit anderen Nicht-Transmenschen über das Thema, sobald Du Dich schlau(er) gemacht hast. Auch wenn es mehr von uns gibt, als Du denkst – ich bin nicht genug, um die Menge an Nicht-Transmenschen aufzuklären.

Ich sollte nicht die ganze Arbeit machen müssen. Ich bin angreifbarer, deshalb ist diese Arbeit viel schwerer für mich. Für mich bedeutet, sich mit Nicht-Transmenschen über ihr transphobes Verhalten und ihre normativen Geschlechtervorstellungen zu unterhalten, viel zu oft, sich eine Riesenmenge verletzender und beleidigender Dinge anhören zu müssen.

Respektiere meine Selbstbezeichnung

Du kennst mein bevorzugtes Pronomen nicht und kennst niemanden, der es Dir sagen könnte? Frag‘ mich. Höflich. Und respektvoll. Noch habe ich niemanden gekratzt oder gebissen. Jemanden nicht einordnen zu können löst bei den meisten Mensch Angst und/oder Feindseligkeit aus. Wenn Du mich siehst und fehldeutest, ist das nicht so schlimm und nicht das Ende der Welt. Du musst Dich nicht schämen dafür. Frag‘ im Zweifelsfalle höflich und respektvoll nach, damit zeigst Du mir indirekt: “Ich will keine Annahmen machen, ich will dich respektieren.”

Kennst Du meine Selbstbezeichnung (Billy, männlich) und verwendest sie mir gegenüber oder im Beisein anderer wiederholt oder gar bewusst nicht/nie? Dann lässt Du mich wissen: “Ich verstehe Dich nicht und habe auch kein Interesse daran. Was Du mir über Dich sagst, ist nicht wichtig und mir gleichgültig. Es ist nur wichtig, was ich über dich denke und ich weiß besser Bescheid über dich als du selbst. Von mir bekommst du keine Unterstützung, ich bin nicht dein_e Verbündete_r.”

Auch Sätze wie “Dein Geschlecht ist mir doch total egal!” sind keine Unterstützung. Oder mal praktisch: Wenn’s denn so „egal“ ist, wieso runzeln die allermeisten Menschen ihre Stirn und korrigieren mich, wenn ich sie nach so einem Satz mal mit „Ach wirklich, Frau/Herr [statt Herr/Frau] …?“ beglücke?

Ich habe oft den Eindruck, dass Menschen nicht daran denken, wie viel Mut mich das kostet sie wissen zu lassen, wer ich bin. Mich zu überwinden und darüber zu sprechen drückt aus, dass ich sie nicht in meinem Leben missen mag und wie sehr ich sie in meinem Leben schätze.

Frag!mich!nicht!aus!

Auch wenn es unglaublich klingen sollte: Die erste Frage, die mir fast immer gestellt wird, ist: “Und da unten?” oder ganz elegant “Hast/willst/bekommst du einen Penis?” Das ist phallozentristisch, verletzend und degradierend. Denn, Überraschung: Ich bin nicht nur meine Körperteile.

Niemand hat das Recht, irgendwelche anatomischen oder medizinischen Informationen über meinen Körper zu erhalten, es sei denn, ich entscheide mich selbst dazu. Es ist besonders verachtend, mir solche Fragen vor anderen Mitmenschen zu stellen. Uncool ist auch: “Na, wie läuft’s so auf Testo?” In besonders guter Stimmungslage frage ich dann zurück: “Danke, und bei Dir so da unten? Alles paletti mit deinen Testo/Östrogenwerten?” Selbst dann, oh Wunder, begreifen es manche Menschen nicht.

Nochmal: Es ist nicht mein Job, Dich zu unterrichten, und es kann sein, dass ich gerade mal keine Lust habe, Deine unglaublich persönlichen Fragen zu beantworten. Wenn ich Dich grade kennengelernt habe, dann frag‘ mich zum Beispiel nicht, wie meine Familie “es” denn aufnimmt. Ich habe vielleicht großes Glück*** gehabt und meine Familie liebt mich (und nicht mein Geschlecht oder das, was sie dafür halten), aber vielleicht ist auch das Gegenteil der Fall.

Bitte tröste mich auch nicht mit besonders aufbauenden Worten à la „Das ist ja furchtbar schrecklich alles!“ oder „Wie schlimm das für deine Familie/Dich/Deine_n Freund_in sein muss!“ Danke. Ich habe keine grausame tödliche „Krankheit“, ich möchte das erste Mal in meinem Leben glücklich mit mir sein bzw. ich erfahre wie sich Glück anfühlt vielleicht das allererste Mal in meinem Leben.

*** Das hatte ich tatsächlich. Meine Mom sagte durch’s Telefon zu mir (selten waren meine Tatzen so schwitzig wie bei diesem Anruf): „Oh, ich freu‘ mich so!“  ❤