Von Maxi Braun

Sadé, Ngozi and Zainab, drei der fünf Protagonistinnen der 2014 gestarteten Webserie „An African City“, sitzen im Restaurant. Ngozi, gläubige Christin und Nesthäkchen der Gruppe, hat ein Blind Date mit drei Männern arrangiert. Der lahm laufende Small Talk kommt auf das Berufliche. Geschäftsfrau Zainab erzählt von einer Präsentation, bei der es auch um den Gebrauch von Kondomen ging. Die Männer sind überrascht: „Why you use condoms? You look clean?“

© Emmanuel Bobbie/An African City Limited
5 Freundinnen. © Emmanuel Bobbie/An African City Limited

Fassungslos steigt Sadé in die Diskussion ein und lässt sich von ihren männlichen Dates erklären, dass diese nur mit Frauen verkehrten, die eben „clean“ aussähen und sie selbst daher gar keine sexuell übertragbaren Krankheiten bekommen könnten. Als sich dann noch herausstellt, dass die Typen für das staatliche Gesundheitsministerium arbeiten, platzt Sadé der Kragen und mit der Offenbarung „In college, I had chlamydia!“, der zuvor georderten Pulle Wein und ihren beiden Freundinnen macht sie einen Abgang.

Die Szene aus Episode 9 der ersten Staffel der von Nicole Amarteifio kreierten und unabhängig produzierten Webserie ist exemplarisch dafür, wie auf den ersten Blick universelle Evergreens aus dem Themenfeld Beziehungskisten (vordergründig geht es in dieser Episode um die Frage, ob Sex ohne Liebe oder Liebe ohne Sex möglich sind) für ziemlich Tabu brechende Gesellschaftskritik genutzt werden können. Moment mal, HIV als angeblich sichtbare Infektion, die „saubere“ Menschen nicht treffen kann, und Kritik an dieser kruden Theorie als Tabubruch?

Ja, denn „An African City“ spielt in Ghanas Hauptstadt Accra. Im Mittelpunkt stehen fünf junge Frauen mit Wurzeln in Ghana, Sierra Leone und Kenia, im Ausland aufgewachsen und studiert, die sich nun in Ghana zurechtfinden müssen. Sie leben einerseits als Teil der hochgebildeten und privilegierten Oberschicht in einer aufsteigenden Wirtschaftsmetropole, deren Mieten mit denen in Paris oder New York locker mithalten können. Andererseits sind Stromausfälle und eine marode Infrastruktur an der Tagesordnung.

„An African City“ selbst hat ein US-amerikanisches Vorbild. Erzählt wird jede Episode aus der Ich-Perspektive von Journalistin Nana Yaa (MaameYaa Boafo). Ihre Freundinnen sind die Oxford-Absolventin und Anwältin Makena (Marie Humbert), die promiske Sadé (Nana Mensah), Unternehmerin Zainab (Maame Adjei) und die rührend naive Ngozi (Esosa E), die für eine NGO arbeitet. Die Parallelen zu „Sex and the City“ sind nicht zu leugnen, was Nicole Amarteifio, selbst USA-Rückkehrerin, auch gar nicht erst versucht.

Wer Carrie Bradshaw und ihre Freundinnen schon als reiche Oberklasse-Tussis kritisierte, deren Welt sich nur um Manolo Blahnik und Mr. Right drehe, wird auch an „An African City“ auf den ersten Blick eine auf Hochglanz polierte Angriffsfläche finden. Die Protagonistinnen sind äußerlich umwerfend attraktiv, gehüllt in die angesagten Roben ghanaischer Designer. Sie fahren luxuriöse Karren, wohnen in hippen Appartements. Wer sich fragt, wie realistisch das schon sein kann, sollte sich vergegenwärtigen, dass auch nicht jede US-amerikanische oder deutsche Serie in der Provinz spielt.

Bei „Sex and the City“ fehlte es an Frauen, die nicht weiß sind, an Identifikationsfiguren. People of Color kamen dort selbst als Nebencharaktere kaum vor. Hier sind alle Protagonistinnen Schwarze Frauen, genau wie die Schöpferin oder die Kreativen aus Mode- und Musikindustrie Ghanas, denen die Serie auch als Plattform dient. Leider muss das auch 2016 noch als Besonderheit betont werden. Aber westlichen Zuschauer*innen ihre Vorurteile vor Augen zu führen, ist nicht die Intention von „An African City“. Es ist und bildet so einen Teil der weiblichen, ghanaischen Identität ab, zu der eben auch Männerprobleme und Beziehungskrisen, Liebeskummer und Frust im Bett gehören.

Implizit wird dabei auch die Rolle der Frau in der sich modernisierenden Gesellschaft Ghanas thematisiert und eröffnet verschiedene Modelle: Sadé lässt sich trotz sexueller Selbstbestimmung ein Loft von einem Sugar Daddy sponsern, Ngozi wohnt als ledige Frau noch bei ihrer Familie und Nana Yaa entscheidet sich schließlich gegen einen männlichen Gönner und finanziert sich per Kredit eine eigene Immobilie. Durch die Erwartungen der in der Serie eher als Komparsen auftauchenden ghanaischen Männer spiegelt sich das Bild der Frau, die auch in Ghana nicht selbstverständlich drei Mahlzeiten kredenzen und Kinder gebären und hüten will. Subtil werden auch Probleme wie Korruption, ein autoritärer Polizeiapparat oder kapitalistische Ausbeutung des Landes durch die heimischen Eliten in die Handlung eingeflochten, die trotz einer kurzweiligen Laufzeit von einer Viertelstunde pro Episode sehr dicht ist.

„An African City“, GH 2014.
Idee und Produktion: Nicole Amarteifio. Mit: MaameYaa Boafo, Nana Mensah, Esosa E, Maame Adjei, Marie Humbert.
Erste Staffel via YouTube

Mit „An African City“ hat Nicole Amarteifio eine stylish anzuschauende Serie mit starken Figuren kreiert, die in knackigen Dialogen universelle, aber auch spezifisch ghanaische Alltagsthemen und Tabus anspricht und unterhaltsam vermittelt. Die große Zuschauerresonanz (fast 46.500 User haben den offiziellen Kanal bei YouTube abonniert) zeigt, dass ein Interesse an originären Erzählungen von Schwarzen Personen besteht. Schön wäre es, wenn die Serie sich weiterentwickeln würde und neben Emanzipation im Allgemeinen und Pornos, Masturbation, Penisgröße oder Kondomgebrauch im Speziellen künftig auch andere gesellschaftliche Tabus wie die Situation von LSBTTIQ*-Menschen speziell in Ghana ansprechen würde.