Von Tove Tovesson

Wenn man über den Umgang der US-amerikanischen Justiz mit Chelsea Manning, einer Whistleblowerin, die geheime Dokumente an WikiLeaks übergab, liest, taucht oft das Wort Isolationshaft auf. Es werden Szenarien beschrieben, die demütigend, gefährlich und menschenverachtend klingen und es geht meist nicht um Tage, sondern Monate, die Manning so verbringen musste, und das teilweise noch in Untersuchungshaft, also vor ihrer tatsächlichen Verurteilung. Isolation als Folter, ein hässliches Thema.

Das Justizsystem ist absurd und verkehrt. © Tine Fetz
Das Justizsystem ist absurd und verkehrt. © Tine Fetz

Isolationshaft  ist eine Form von Bestrafung innerhalb von Gefängnissen, die auf eine Verschärfung der ohnehin vorfindlichen Bedingungen setzt. Deine Zelle ist klein? Jetzt ist sie auch noch leer. Du hast selten Kontakt nach draußen? Jetzt hast du nicht mal mehr drinnen Kontakt. Dazu keine Decke, kein Kissen, keine Matratze, manchmal keine Kleidung, keine Privatsphäre.

Die gesundheitlichen Folgen sind zwangsläufig und treten bei allen Menschen auf, die lange genug isoliert werden. Auch als Vernichtungshaft bezeichnet, wirkt sich die Isolation auf Psyche und Körper der Betroffenen aus. Hier eine Liste mit den Folgen.

Nach einem Suizidversuch droht Manning nun unter fadenscheinig verklausulierten Anklagepunkten erneut die Isolationshaft. Zwischenzeitlich hat sie sich durch einen fünftägigen Hungerstreik erfolgreich erkämpft, was ihr ohnehin zustand: medizinische Versorgung im Zusammenhang mit ihrer Transition und ein bisschen mehr Selbstbestimmung über ihren Körper. Sie darf sich nun die Haare wachsen lassen.

Eine Transition ist schwer. Wie schwer muss erst eine Transition im Gefängnis sein? Möglicherweise hat Manning hier einen Präzedenzfall geschaffen.

Chelsea Manning wurde 2012 zu 35 Jahren Haft verurteilt, weil sie als Mitglied der Army geheime Informationen an WikiLeaks weitergegeben haben soll. Diese Informationen deckten unter anderem den Angriff auf Zivilist*innen, Journalist*innen und über 300 Fälle von Folter im Irak durch amerikanische Streitkräfte auf. Dabei sollen allerdings auch Informationen veröffentlicht worden sein, die Angehörige des US-Militärs gefährdet hätten – daher der Anklagepunkt „Kollaboration mit dem Feind“, der zur Todesstrafe hätte führen können.

Mannings Verteidigung vor Gericht konnte sich kaum darauf berufen, dass sie möglicherweise moralisch richtig gehandelt hat. Ein Gesetzesverstoß verweist auf Schuld. Pech, wenn das Gesetz selbst moralisch falsch ist. Dem Militär anzugehören bedeutet, in eine kontrollierte Verantwortungslosigkeit einzutreten – Verhalten, das Zivilist*innen verboten ist, ist hier erlaubt und erwünscht. Gleichzeitig ist das eigenmächtige moralische Urteil hierüber unerwünscht.

Unabhängig von Schuld oder Nichtschuld stellt sich die Frage, welche Funktion eine Gefängnisstrafe haben soll. Was sie aus allen beteiligten Menschen macht. Der Umgang mit Manning dient der Abschreckung. Gnade für Edward Snowden, wenn er je vor einem Gericht in den USA landet. Beide konkreten Fälle liefern gute Gründe, für eine vollständige Begnadigung zu plädieren. Eine Gesellschaft kann sich keine unkritischen Menschen in der Armee oder in Geheimdiensten wünschen, ein Staatsapparat schon.

Dass (nicht nur) das US-amerikanische Justizsystem und seine Gefängnisse ein Rassismusproblem haben, lässt unmenschlich harte Haftbedingungen und lange Haftstrafen zusätzlich weit in die Gesellschaft hineinwirken und bietet gleichzeitig wenig Aussicht auf Reformierung des Systems. Es steht zu viel auf dem Spiel.

Was können wir tun? Wir können Chelsea Manning finanziell oder moralisch durch einen Brief unterstützen. Und wir können hinterfragen, wie wir uns auch in anderen Ländern auf ein Justizsystem beziehen, von dem bestimmte Menschen keine Gerechtigkeit erwarten können.