Von Caren Miesenberger

Die malische Sängerin Inna Modja veröffentlicht Ende September ihr drittes Album „Motel Bamako“ und tourt in diesem Herbst durch Deutschland. Selbst lebt die 31-jährige in Paris und singt auf Bambara, Englisch und Französisch. Im Interview mit Missy spricht sie über ihr Street Art-Projekt #WingsForFreedom, Aktivismus in Mali und das politische Klima in Frankreich nach dem Angriff auf das Bataclan.

 © Marco Conti
© Marco Conti

Sie haben gerade ein neues Video für Ihre Single „Sambe“ veröffentlicht. In dem Song singen Sie unter anderem, dass „Afrika nicht das ist, was du im Fernsehen siehst“. Was meinen Sie damit?
Viele Leute haben ein bestimmtes Bild von Afrika. Sie glauben, dass wir noch immer hinter dem stehen, was in der Welt passiert, dass wir kein modernes Leben haben, sondern nur Kriege, Krankheiten und Armut. All das gibt es bei uns. Aber wir haben auch Kultur und vieles mehr. Mir ist es wichtig, zu zeigen, was Afrika wirklich ist. Wir brauchen Möglichkeiten. Als ich aufwuchs, hatten wir bestimmte Spielzeuge nicht. Dann waren wir eben mit anderen Sachen kreativ. Unsere Kreativität war notwendig. Wir jungen Afrikaner*innen lieben Kunst, Street Art, Mode und haben unsere eigene Art, Dinge zu machen. In der Mode und Kunst sieht man oft von Afrika inspirierte Arbeiten. Aber die Leute verbinden es nicht mit dem Kontinent. Vivienne Westwood ist eine großartige Designerin, die von Afrika inspiriert ist, aber die Leute sehen die Connection nicht. 

Ihr neues Album erscheint am 27.09. Haben Sie einen Lieblingssong auf „Hotel Bamako“?
Alle Lieder sind natürlich Teile von mir, weshalb es schwierig ist, sich für eines zu entscheiden. Tombouctou ist einer meiner Favoriten, weil er mich sehr widerspiegelt. Mir war es wichtig, zu zeigen, dass wir auf unsere eigene Art gegen Terrorismus kämpfen. Ich möchte Leute in Mali und überall zusammenbringen, um deutlich zu machen, dass das, was wir haben, viel stärker ist. Mit deiner Stimme kannst du Leute zusammenbringen. Mit Krieg teilst du Menschen auseinander und verursachst Schmerz.

Wo Sie gerade Terrorismus ansprechen: Gemeinsam mit einem Freund haben Sie nach den Terrorangriffen des vergangenen Novembers in Paris für Ihr Projekt #WingsForFreedom Flügel an Wände gemalt und Menschen, die davor standen, fotografiert. Hat sich das Klima in der Stadt nach den Angriffen verändert?
Bei dem Projekt geht es darum, Menschen zu empowern und ihnen die Freiheit zu geben, zu träumen. Die Gesellschaft sagt dir immer, dass Träumen etwas Negatives ist. Aber Träume geben dir die Stärke, an dich selbst zu glauben. Mit #WingsForFreedom haben wir in Mali begonnen, als dort die Fotografie-Biennale stattfand. Das war die erste Biennale seit Ausbruch des Kriegs. Wir wollten Kunst auch auf die Straße bringen. In Paris haben wir die Aktion zwei Tage nach den Angriffen auf das Bataclan gemacht. Es war an einem Sonntag und die meisten Bewohner*innen der Stadt sind traumatisiert in ihren Häusern geblieben. Wir wollten nicht zu Hause eingesperrt sein und trafen uns mit Freund*innen und deren Kindern in der Nähe des Kanals St. Martin, um die Flügel zu malen. Das ging langsam voran, bis auf einmal über zweihundert Leute da waren. Für mich war das eines der ersten Male, dass sich fremde Leute in Paris einfach so zusammengefunden und unterhalten haben. 

Sie sind Malierin und leben in Frankreich. Treffen Sie die Veränderungen in der Stadt anders als französische Staatsbürger*innen?
Für mich war es ein Schock. In Mali ist das alles seit vier Jahren passiert. Als es dann auch Paris erreichte dachte ich: Oh mein Gott, nun auch hier. Ich persönlich bin seit zehn Jahren permanent on the road und sehe immer nur meine engen Freund*innen in Paris. Mir fällt aber auf, dass Fragen im Raum stehen. Ich glaube nicht, dass alle permanent Angst haben, aber, dass wir damit umgehen müssen. Es kann jederzeit passieren.

Inna Modja live
24.09. Hamburg, Reeperbahnfestival
17.11.2016 Köln, Yuca
18.11.2016 Berlin, Privatclub 

Sie haben als Aktivistin und Überlebende vor den Vereinten Nationen zu Genitalverstümmelung gesprochen. Welche politischen Themen treiben Sie sonst noch um?
Frauenrechte und die Rechte von Mädchen. Wir haben das Jahr 2016, Gendergerechtigkeit ist eine universelle Sache, aber wir haben sie noch nicht erreicht. Nirgendwo in der Welt! Für mich ist auch Bildung und alles, das Frauen empowert, wichtig. Weibliche Genitalverstümmelung habe ich am eigenen Leib erfahren. Das geschah hinter dem Rücken meiner Eltern, die davon nichts wussten. Missbrauch und Verletzungen von Frauenrechten haben verschiedene Ausprägungen. Es ist wichtig, dass Mädchen zur Schule gehen und dass Frauen gleiche Job- und Verdienstchancen haben. Ich komme aus Mali und dort haben wir an vielen Orten kein sauberes Wasser. Manche Leute laufen sechs Kilometer am Tag, um Wasser zu holen. Das zu tun ist verschwendete Zeit. Frauen könnten stattdessen arbeiten und Kinder zur Schule gehen. Es ist bizarr, zu denken, dass wir wegen unseres Gender verschiedene Behandlungen verdienen.