Von Isabel Prado Jacob

Am 12. Oktober ist Columbus-Tag. Mal davon abgesehen, dass Columbus nicht, wie eigentlich geplant, Indien fand, ist der Tag kein Grund zum Feiern. Viele sagen, man müsse den Columbus-Tag feiern, weil wir nicht ihn, den Mann Christoph Columbus, feiern, sondern weil er die Amerikas mit Europa verband. Und überhaupt wäre das ohne ihn nie passiert und die amerikanischen Gesellschaften würden heute nicht so existieren. Generell höre ich oft, dass ich ohne Columbus und seine Entdeckertat nicht existieren würde. Was für ein Schmu.

Was ist das für 1 Bierwerbung? 1, die Kolonialismus romantisiert. © Isabel Prado
Was ist das für 1 Bierwerbung? 1, die Kolonialismus romantisiert. © Isabel Prado

(Bildbeschreibung: Ein ausgestreckter Mittelfinger wird in die Richtung einer Werbetafel für das Stiegl-Bier mit der Aufschrift „Entdecke Columbus 1492: Das Pale Ale von Stiegl.“ gehalten.)

Ein anderes Argument, das zu seiner Verteidigung oft genannt wird, ist, dass die Inka und Azteken ja auch keine friedliebenden Gemeinschaften waren, sondern ihre Reiche und Politiken imperialistische Züge hatten. Aber es geht hier nicht um gute Gesellschaften vs. schlechte. Und dass präcolumbianische Gesellschaften auch kein Paradies waren, zweifelt niemand an. Die meisten Leute denken, dass Geschichte linear vorangleitet und dass wir mit der Zeit bessere, schlauere und weniger schlechte Menschen werden. Das macht das Urteilen über historische Figuren der Vergangenheit natürlich einfacher, während gleichzeitig daraus resultierende, heutige Ungerechtigkeiten unbeachtet bleiben, weil der Ursprung dieser Ungerechtigkeiten in der Vergangenheit liegt. Und 1492 ist ja nun schon wirklich ganz, ganz, ganz, ganz lange her. Überhaupt, warum wird sich so angestellt?

„Entdecke Columbus 1492“. Eine peruanische Bekannte von mir teilte einen tollen kritischen Post zur Kampagne für ein neues Pale Ale mit dem tollen Namen „Columbus 1492“ der österreichischen Bierbrauerei Stiegl. Das Gründungsjahr der Brauerei liegt zufälligerweise wie die Entdeckung der Amerikas im Jahr 1492 und da liegt scheinbar nichts anderes näher, als überall rote Plakate hinzukleben, auf denen „Entdecke Columbus 1492“ steht. Irgendwer in der Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann dachte sich so „Ja, cool, 1492, Entdeckung, Columbus, Bier entdecken“ und jemand in der Brauerei war so „Klar, deal!“ Google? Basic Geschichte? Nö. Es gab auf die Kritik, die auf die Werbekampagne geäußert wurde, sogar eine Antwort:

„1492 ist das Gründungsjahr der Stieglbrauerei. Für uns in der Brauerei natürlich ein historisches Ereignis. Über die Jahre hat sich die Jahreszahl 1492 in Zusammenhang mit den Begriffen ‚Stiegl‘ und ‚die Entdeckung Amerikas durch Columbus‘ in den Köpfen vieler Salzburgerinnen und Salzburger festgesetzt. Unser Ziel mit der Namensgebung war es lediglich, mit dem gedanklichen Konnex der ‚Entdeckung‘ den in Österreich relativ unbekannten Bierstil einem größeren Kreis an Bierfreunden näher zu bringen. Von den dramatischen historischen Ereignissen von anno dazumal distanzieren wir uns allerdings ganz klar.“

Anno dazumal. Hm. Okay. Kolonialismus, Sklaverei, Massenmord und Vernichtung prägen die postcolumbianische Geschichte der Amerikas und die Folgen sind bis heute spürbar. Columbus war nicht nur ein Entdecker, sondern auch der Initiator des atlantischen Sklavenhandels und setzte so die Hebel von Ausbeutung und Sklaverei in Bewegung. Sich dann mal eben so in einem Facebook-Kommentar von den Ereignissen von damals zu distanzieren, während dann aber diese Kampagne ungehindert und ohne Reflexion weitergeht, ist schon ganz schön happig. Warum eine neue Biersorte überhaupt entdeckt werden muss und dann mit Bezug auf dieses Datum und Namen ist eh schon irgendwie schräg.

De facto sind die meisten (eigentlich alle, let’s be real here) europäischen Entdecker Arschlöcher, Massenmörder, Vergewaltiger und anderes und Columbus ist da keine Ausnahme. Europäische Entdeckungsgeschichten sind nicht heroisch, die Entdecker waren nicht mutig oder haben irgendetwas Tolles geleistet, als nur herrscherische Expansion zu betreiben. Sowieso, das ganze Konzept der europäischen Entdeckung ist arrogant. Diese Bierwerbung ist arrogant. Das europäische Konzept der Entdeckung und Eroberung steht im Zentrum einer Geschichte, die die Perspektive derer ignoriert, die bei diesem Ereignis unterworfen und kolonialisiert wurden, und tut so, als wären diese Gebiete erst durch Europa mit einer Geschichte gesegnet. Man muss endlich aufhören, Entdeckergeschichte so zu glorifizieren. Entdecker haben Leute umgebracht, vergewaltigt und versklavt, ganze Ethnien wurden ausgerottet, Sprache und Kultur vernichtet und verboten und somit für die betroffenen Gebiete und Menschen Zeiten eingeläutet, die alles andere als rosig waren.

Natürlich wären die Amerikas mit Europa irgendwann in Kontakt getreten, dies geschah ja auch schon vor Columbus, niemand behauptet schließlich, dass das nie passiert wäre. Es sind die Umstände und Folgen der Entdeckung, um die es geht, darum, Geschichte sichtbar zu machen. Und zwar aus einem nicht-europäischen Blickwinkel. Die Amerikas hatten nicht erst eine Geschichte, als Columbus seinen Fuß auf sie setzte. Es gibt Latinx, die sagen, die Entdeckung und Eroberung macht uns erst zu dem, was wir sind, zu dieser einzigartigen Mischung, und dass der Verlust an Leben und Kultur es wert waren. Natürlich sind die Amerikas kein homogenes Gebiet, wir sind eine diverse Mischung aus Sprachen und Kulturen, Ideologien, Identitäten und grausamer Geschichte. Aber wir sind nicht alle europäisch durchmischt und diese Ideologie der „la raza“ ist gefährlich und wird stark kritisiert, denn nicht alle Menschen in den Amerikas sind Nachkommen von europäischen Kolonialisierer*innen und Indigenen. Denn es gibt sie, es gibt präcolumbianische Gesellschaften, die überlebt haben, bis heute. Diese Ideologie und Verherrlichung Columbus ist gefährlich und ein Schlag ins Gesicht derer, die überlebt haben und die weiterkämpfen müssen. Man kann den Columbus-Tag dazu nutzen, denjenigen zu feiern, der so viel Leid über andere brachte, oder ihn, wie es zum Beispiel in Venezuela geschah, in den Tag der indigenen Resistenz umbenennen, und die feiern und unterstützen, die überlebt haben, die heute noch überleben müssen.