Von Patricia Bonaudo

Den Internationalen Tag der Putzfrau – auch Weltputzfrauentag – am 8. November gibt es seit 2004. Damals hat die Bibliothekarin und Krimiautorin Gesine Schulz ihn ins Leben gerufen. Am Geburtstag ihrer Romanheldin Karo Rutkowsky, Putzfrau und Privatdetektivin. Die Autorin wurde durch die Recherchen zu dem Buch zunehmend auf die prekäre Arbeitssituation von Reinigungskräften aufmerksam und wollte auf die Situation legal und illegal arbeitender Putzfrauen hinweisen.

© Shutterstock/ Predrag Popovski
© Shutterstock/ Predrag Popovski

Die Arbeit ist weiblich, prekär und außerordentlich schlecht bezahlt. 2008 gab es laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts im Wirtschaftszweig „Reinigung von Gebäuden, Räumen und Inventar“ in Deutschland rund 916.000 Beschäftigte. Mit 808.000 Gebäudereinigerinnen und Raumpflegerinnen sind 88 Prozent weibliche Fachkräfte, nur 12 Prozent in dieser Berufsgruppe waren Männer. Obwohl dieser Wirtschaftszweig stetig wächst, wird der jährliche Umsatz mehrheitlich über Minijobs erwirtschaftet. Bei steigendem Arbeitsvolumen wächst die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Sektor kaum an. Hinzu kommt noch eine nicht näher bestimmte Zahl an Freiberufler*innen und unangemeldet arbeitenden Putzkräften.

Laut einer Forsa Studie, die die Plattform Helpling in Auftrag gegeben hat, zahlen rund ein Viertel der Befragten zwischen 8,50 und 10 Euro pro Stunde an ihre Reinigungskraft. Über die Hälfte der Befragten geben 10 bis 12 Euro pro Stunde aus. Lediglich ein weiteres Viertel ist bereit, mehr als 12 Euro pro Stunde zu zahlen. Demzufolge wird der Reinigungsmarkt weiterhin vom Billiglohn dominiert. Bewegen sich die Reinigungskräfte außerhalb des angemeldeten Marktes, ist die soziale Absicherung gleich null.

Jana ist 48 Jahre und aus der Ukraine. Seit 14 Jahren lebt und arbeitet die Lehrerin als Haushaltshilfe und Reinigungskraft in Deutschland. Illegal. Was das für sie bedeutet, habe ich für sie aufgeschrieben.

„Angefangen hat alles auf einer Hühnerfarm in Königswusterhausen. Mein Bruder, ein Soldat, hat mich hierhergeholt. Auf der Hühnerfarm habe ich Eier eingesammelt, bis ich eine Familie kennengelernt habe. Als sie mich gebeten haben, bei ihnen als Haushälterin anzufangen, war ich froh, denn das war viel besser, als Eier zu sammeln. Zehn Jahre lang habe ich dann als Haushälterin und Kindermädchen in der Nähe von Berlin gearbeitet. Als die Kinder groß wurden und die Familie mich nicht mehr brauchte, bin ich nach Berlin gekommen, um hier als Putzfrau zu arbeiten. Meine Schwägerin bot mir an, sie zu vertreten, während sie in der Ukraine war. Das gab mir die Gelegenheit, mir eigene Kund*innen zu suchen. Das geht nur von Mund zu Mund, ich kann ja nicht einfach so ausschreiben.

Wir haben oft versucht, eine Arbeitserlaubnis für mich zu bekommen. Aber egal, wie oft wir es versucht haben, es hat nie geklappt. Immer wieder musste ich zurück in die Ukraine, um dort zu arbeiten. Sonst würde ich dort meinen Rentenanspruch verlieren und in Deutschland habe ich keinen. Außerdem habe ich einen Sohn, den ich bei meiner Mutter und meinem Vater in der Ukraine lassen musste, wenn ich nach Deutschland zum Arbeiten gekommen bin. Einmal konnten mein Mann und ich gemeinsam nach Deutschland kommen. Mein Mann hat bei einem Hausbau geholfen und unser Sohn ist im Ort zur Schule gegangen. Nach drei Jahren hat er die ukrainische Sprache fast schon vergessen. Er wollte auf keinen Fall zurückgehen, er wollte bleiben, denn er hat hier viele Freunde gefunden. Aber wir mussten zurück in die Ukraine. Das nimmt er mir bis heute übel und er ist schon fast 30 Jahre alt.

Wenn ich das alles erzähle, muss ich fast weinen. Die Erinnerung ist schmerzhaft. Einmal kam ich aus Deutschland zurück. Mein Sohn saß verschüchtert neben seiner Großmutter und fragte sie, wer diese Frau da ist. Ich war vier Jahre weg. Damals gab es kein Skype, ich konnte nur anrufen. Er hat mich vier Jahre nicht gesehen und er hat mich einfach vergessen. Ich habe viel verpasst, meine Mutter hat ihn zum ersten Schultag begleitet, nicht ich. Bis heute wirft er mir vor, dass er nicht bei mir aufwachsen durfte. Das bereue ich schon. Auch, dass ich kein zweites Kind bekommen habe. Immer waren andere Dinge wichtiger und dann war es für das zweite Kind zu spät. Das ist wirklich schlimm für mich.

Aber was hätte ich tun sollen? Ich bin Lehrerin. Als Lehrerin habe ich mit einer Vollzeitstelle 100 Euro pro Monat verdient. Davon konnten wir nicht leben. Das hat gerade so für Strom und Gas ausgereicht. Und wir haben damals angefangen, ein Haus zu bauen. Und was soll ich sagen, wir bauen immer noch. Meine Eltern haben damals mit dem Hausbau begonnen. Sie haben es an mich übergeben und damit auch die Verantwortung dafür. Nun bauen wir schon seit 30 Jahren daran, weil das Geld so knapp ist. Mein Mann hat schon keine Lust mehr. In der Ukraine ist es so schwer, Geld zu verdienen. Du brauchst Land und das Geld, das du mit Lohnarbeit verdienst, reicht nicht zum Leben. In Deutschland bekomme ich 10 Euro pro Stunde. Durchschnittlich arbeite ich zehn Stunden pro Tag. Das Geld reicht gerade so, aber es ist allemal besser, als das Gehalt einer Lehrerin in der Ukraine. Als Lehrerin musste ich mich zwar immer schick anziehen und sah toll aus, das fehlt mir heute schon manchmal, aber dafür hatten wir kein Geld.

Seit vier Jahren war ich nun nicht mehr in der Ukraine. Das bedeutet auch, dass ich seit vier Jahren nicht mehr in meine Rentenversicherung eingezahlt habe. Ich würde wirklich gerne in Deutschland eine Rentenversicherung haben. Aber es ist so kompliziert, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Seit mein Sohn in der Ukraine zum Militär einberufen werden sollte, lebt er auch in Deutschland. Damit er nicht eingezogen und in den Krieg geschickt wird, haben wir ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu uns geholt. Das war wirklich wahnsinnig teuer, Schmiergeld, versteht sich. Seitdem er hier war, bemühte er sich überall darum, offizielle Papiere und eine Arbeitserlaubnis für uns zu bekommen. Er spricht fast akzentfrei Deutsch. Aber es gab keine Chance, obwohl in der Ukraine Krieg war.
Mein Sohn hatte Glück. Wir stammen aus einem ehemaligen rumänischen Gebiet der Ukraine und haben damit das Recht auf die rumänische Staatsbürgerschaft. Für meinen Sohn konnten wir sie erfolgreich beantragen. Er ist nun ganz offiziell hier, hat sogar schon Arbeit gefunden. Aber das Ganze hat uns finanziell wirklich sehr stark beansprucht. Mein Mann und ich, wir können uns das im Moment leider noch nicht leisten.

Aber so ist das. Ich mag meine Arbeit hier. Ich bin harte Arbeit von Anfang an gewöhnt, ich komme vom Dorf. Da schuften wir den ganzen Tag. Und meine Kund*innen sind wirklich toll. Das Einzige, was ich mir wirklich wünschen würde, wäre eine Arbeitserlaubnis und eine Festanstellung. Dann könnte ich hier meine Steuern und meine Rente zahlen. Alles ganz offiziell. Dann hätte ich eine Krankenversicherung und könnte einfach so zum Arzt gehen. Seit vier Jahren war ich nun nicht mehr beim Arzt. Ich merke, dass sich so langsam die Wechseljahre ankündigen, aber der Arztbesuch ist so teuer, das muss ja bar bezahlt werden. So viel Geld muss ich nun erst mal ansparen. Jetzt bin ich schon fast 20 Jahre in Deutschland, ohne Versicherung, ohne Rente. Bald stehe ich da und habe gar nichts. Das ist ein ganzes Leben.“