Von Inna Barinberg

Als ich angefangen habe, mich mit offenen Beziehungen auseinanderzusetzen, war die einzige Message, die ich immer und immer wieder bekommen habe: Eifersucht ist schlecht. Das Ziel sollte sein, mich davon zu befreien, weil alles, was dahintersteht, verwerflich ist. Mein erstes Buch zu dem Thema schaffte es sogar, diese Aussage in Bilder zu fassen. Auf dem Cover war ein Herz zu sehen, umschlungen von stählernen Ketten, versiegelt durch ein mächtiges Schloss. Andere Bücher, die später folgten, benutzen lieber aussagekräftige Wörter, wie etwa „Eifersucht bewältigen“ oder „Eifersucht überwinden“. Schlussendlich stieß ich auf „The Ethical Slut“, ein Buch, das scheinbar alle Menschen, die sich mit offenen Beziehungen auseinandersetzen, mindestens einmal in ihrem Leben in den Händen gehalten haben, und selbst dort fand ich mich nicht wieder. Ich hatte das Gefühl zu scheitern.

Manchmal ist Eifersucht wie eine Qualle. © Richard Carey
Manchmal ist Eifersucht wie eine Qualle. © Richard Carey

Ich wurde geprägt von der Vorstellung, dass Eifersucht schlecht ist und ich an mir arbeiten muss, um all das, was dahintersteht, zu überwinden. In der Folge fühlte ich mich entweder schlecht und schuldig, weil ich es wagte, eifersüchtig, eingeschüchtert und überfordert zu sein, weil ich schon an den scheinbaren Grundlagen einer offenen Beziehung scheiterte. Heute sehe ich das anders.

Klar, Eifersucht ist kompliziert und vielfältig und manchmal schwer zu durchschauen, aber sie kann auch auf zwei Dinge hindeuten. Erstens, mir werden meine eigenen Ängste und Sorgen vor Augen geführt. Zweitens, andere Menschen verhalten sich unehrlich oder entgegen bestimmter Absprachen und verletzen mich. In beiden Fällen komme ich nicht drum rum, mir zu überlegen, was ich möchte, was mir wichtig ist und wie ich zwischenmenschliche Beziehungen führen will. Wenn jemand sich unehrlich verhält und ich das Vertrauen in den Menschen verliere, merke ich vielleicht, dass für mich Ehrlichkeit die Grundvoraussetzung für jegliche Beziehung ist. Wenn Absprachen missachtet werden, dann liegt die Frage nach dem Wieso nahe und kann dazu anregen, sich über die eigenen Bedürfnisse und deren Realisierbarkeit Gedanken zu machen.

So oder so, ich werde auf mich selbst zurückgeworfen und lerne mich besser kennen. Ohne Frage, es ist auch verdammt hart und verdammt anstrengend. Zum einen, weil sich hinter Eifersucht unter anderem Verlustängste, Neid, Minderwertigkeitsgefühle, Scham, Missgunst, die Suche nach Sicherheit und noch viel viel mehr verbirgt. Zum anderen, weil Eifersucht ein großes kompliziertes Geflecht aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist; zum Beispiel kann ich mich in der Gegenwart von einer schmerzvollen Situationen aus der Vergangenheit getriggert fühlen und Angst haben, dass sich genau das Gleiche noch einmal in Zukunft ereignen wird.

Eifersucht ist dabei ein bisschen wie eine Qualle, mal schwimmt sie unbehelligt und unbemerkt im Meer herum, mal ist sie ganz aufgewühlt und unruhig und bewegt sich hektisch in alle Richtungen. Dabei ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass wir auf viele Dinge in unserem Umfeld oder auf das Meer, um bei meinem Quallenbeispiel zu bleiben, keinen oder sehr wenig Einfluss nehmen können. Eifersucht kann sich je nach meinen eigenen Situationen und täglichen Erfahrungen mal stärker und mal schwächer anfühlen. Mal kann ich mich gut für andere Menschen mitfreuen und mal liege ich wieder auf dem Boden, weine und kann mich kaum bewegen, weil mich alles überwältigt. Ich muss nicht zu jedem Zeitpunkt in meinem Leben bereit sein, eine bestimmte Form von Beziehung zu führen. Das Gefühl zu scheitern hatte ich nur, weil ich mich durch Bücher wie „The Ethical Slut“ unter Druck gesetzt gefühlt habe, zu jedem Zeitpunkt in meinem Leben und das bis an mein Lebensende, polyamore Beziehungen zu führen. Durch Bücher wie „Love in Abundance“ von Kathy Labriola habe ich zum ersten Mal festgestellt, dass ich abhängig von bestimmten Zeitpunkten und Kontexten in meinem Leben sowohl polygame Beziehungen als auch monogame Beziehungen führen kann und will. Es ist genauso okay, Monobeziehungen zu führen, wie es okay ist, Polybeziehungen zu führen, solange man ehrlich zu sich selbst und ehrlich zu seinen Beziehungspersonen ist.

Als jüdische-ukrainische Dyke schreibt Inna auf ihrem Blog über die tägliche Kunst polyamore Beziehungen zu führen und gibt mit sehr viel Leidenschaft Workshops zum Thema Eifersucht.

Es gibt durchaus Menschen, die nie eifersüchtig sind und es vielleicht auch nie sein werden, genauso gibt es Menschen, die immer wieder Eifersucht empfinden und es auch in Zukunft empfinden werden. Wenn ich mir als Ziel setze, nie wieder Eifersucht zu empfinden, dann ist die Fallhöhe meistens sehr groß und ich werde mich immer wieder aufs Neue enttäuschen, denn es können immer Situationen kommen, die ich so nicht vorhergesehen habe. Sobald ich akzeptiert habe, dass Eifersucht ein Teil von mir ist und dass jede Emotion eine Daseinsberechtigung hat, konnte ich mich letzten Endes damit auseinandersetzen, einen Umgang damit zu finden. Meine Devise heute lautet: immer schön atmen. Jedes Tempo für Veränderungen ist richtig. Nicht zu hart zu mir selbst sein, denn ich bin gut, so wie ich bin.