Wir brauchen mehr Liebe hieß es im letzten Jahr als Antwort auf den Hass im Netz. Das klingt ganz nett, aber mehr Liebe brauchen wir ebenso wenig wie Hass. Was wir eigentlich brauchen, ist mehr Gerechtigkeit und höhere Überlebenschancen für diejenigen, denen diese aufgrund von Ungerechtigkeiten verwehrt werden.

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„Ich muss erst mal Moritz fragen, dann schreib ich dir noch mal.“ © Tine Fetz

Heute ist der 14.02.2017. Die meisten Menschen hierzulande wissen, was dieser Tag bedeutet. Ich finde ihn ziemlich überflüssig, aber nicht, weil ich nicht an die Liebe glaube. Liebe kann schön sein und das Leben bereichern. In unserer Gesellschaft geht Liebe aber mit Normen einher, die das Leben auch zur Hölle machen können. Vor allem für diejenigen, die in Abwesenheit von Liebe leben. Wer romantische Liebe erfährt und letztendlich von ihr profitiert, ist festgelegt. Den Menschen, die es geschafft haben, jemanden zu finden, der*die sich ernsthaft um sie kümmert, kommt die Fürsorge und Unterstützung eines*r Partner*in zugute.

Die bloggende Person Caleb Luna hat es in dem Text „Romantic Love is Killing Us: Who Takes Care of Us When We Are Single?“ so beschrieben: In einer romantischen Beziehung geht es nicht per se um die Romanze, sondern darum, dass füreinander gesorgt wird und Personen einander helfen, das Leben besser zu bewältigen.

Doch wer erhält diese Form der Zuwendung? Es ist ein selektives Verfahren: Menschen, die privilegiert und normschön sind, haben höhere Chancen, einen*eine Partner*in zu finden. Dadurch werden ­– neben dem kommerziellen Spektakel – Tage, an denen die Liebe zelebriert wird, zu einem exklusiven Event. Eben genauso exklusiv wie die Menschen, die das Privileg einer romantischen Beziehung genießen.

Ich kenne viele Personen in meinem Umfeld, die Single sind, aber die Fürsorge von Menschen ebenso benötigen wie ihre Mitmenschen, die diese in Liebesbeziehungen bekommen. Sie haben es zum Teil schwer, jemanden kennenzulernen. Die Gründe dafür sind komplex; soziale Ängste und Unsicherheiten, zu wenig Zeit für die Partner*innensuche, religiöse Endogamie, die die Suche erschwert, oder sexuelle Orientierung, die nicht offen ausgelebt werden kann, weil unsere Gesellschaft scheiße ist. Ihre Existenz ist bedrohter als die derjenigen, die sich in der Fürsorge und Liebe ihrer Liebsten suhlen können. Letztendlich bedeutet es, dass die Überlebenschancen, die für solche Menschen ohnehin geringer sind als die der privilegierteren Personen, dadurch noch geringer werden.

Man könnte nun meinen, dass diese Fürsorge, dieses gegenseitige Kümmern ja auch in anderen Beziehungsformen existiert, wie zum Beispiel in der Freundschaft. Das Problem ist aber, dass die Menschen in Freundschaften für gewöhnlich weniger investieren als in ihre romantischen Liebesbeziehungen. Ich habe das schon öfter in meinem Leben erfahren oder von anderen Freund*innen mitbekommen. Eine Person aus dem Freundeskreis, der man nahestand und die eine*m in alltäglichen Belangen unterstützt und begleitet hat, kann auf ein Mal keine Zeit mehr aufbringen. Statt zwei bis drei Mal pro Woche kommt es nur noch alle zwei bis drei Mal im Monat zu einem Treffen.

Die romantische Beziehung wird wichtiger als die freundschaftliche. Das merkt man spätestens an Nachrichten wie: „Ich muss erst mal Moritz fragen, dann schreib ich dir noch mal.“ Liebespartner*innen stehen an erster Stelle. Warum ist das so? Warum sind es nicht die Freund*innen, um die sich zuerst und mit höchster oder wenn nicht gleicher Priorität gekümmert wird? Hat es damit zu tun, dass im vermeintlich perfekten Lebenslauf nach  Schule, Studium, Beruf die Partner*innenschaft folgt und anschließend die Reproduktion? Oder haben wir aufgrund des Studiums/Berufs keine Zeit mehr, die Existenz mehrerer Personen durch unsere Fürsorge zu sichern, und bevorzugen dann diejenigen, die wir am Ende wenigstens knutschen können?

Single sein, bedeutet letztendlich, das Privileg der Fürsorge und Unterstützung von anderen Mitmenschen seltener zu bekommen. Im schlimmsten Fall oder wenn der*die Partner*in der Freund*innen dazwischenkommt, eben gar nicht. Die Sicherung der eigenen Existenz wird dadurch erschwert. Es klingt fast, als wäre es eine Strategie dazu, diejenigen, die Diskriminierungen sowieso schon erfahren, noch weiter auszuschließen.

Deswegen ist meine Empfehlung für den Valentinstag: Macht es wie in Finnland. Dort beschenken die Menschen am Valentinstag ihre Freund*innen. Statt einen Blumenstrauß für die Liebste zu kaufen, empfehle ich in diesem Sinne, für eine befreundete Person da zu sein, die diesen Tag nicht in einer romantischen Beziehung verbringt. Sorge für sie mindestens genauso wie für eure Romea oder Julietto.