Vor einigen Jahren, als Partys noch ein Ding waren, organisierte ich mit ein paar Freund*innen zusammen eine sehr elaborierte Festivität zum Anlass unserer Geburtstage. Wir fuhren so richtig auf, schließlich sollte es die Party des Jahres werden! Unsere Gäste wurden dazu angehalten, sich ordentlich aufzubrezeln, der Flyer kündigte „Zirkus, Zuckerwatte, Zerrspiegel“ an. Ich selbst hatte die Aufgabe der Party-Hostess inne und kleidete mich dementsprechend im Stil einer Zirkusdirektorin mit rotem Frack, Zylinder und Dompteurstock. Auf dem Flyer stand außerdem: „No Sexism, No Nationalism, No Clowns.“

Seien wir ehrlich: Niemand mag Clowns. Zu Recht. Clowns sind gruselig. Mit Coulrophobie gibt es sogar einen medizinischen Begriff für die Angst vor Clowns. Vor einigen Jahren gab es in den USA, Kanada, Australien und England den fragwürdigen Trend, sich als Clown zu verkleiden und andere zu erschrecken. Es ist nachvollziehbar, dass man Clowns unheimlich findet: Sie haben überbetonte Gesichtszüge und Körperformen, die zwar noch, aber nicht mehr so ganz menschlich sind und deswegen ein Gefühl von Befremdlichkeit hervorrufen. Ihre überzogenen Verhaltensweisen, ihr auf das Gesicht gekleistertes Lächeln, das die wahren Gefühle hinter dem Make-up verschleiert: Clowns wohnt aufgrund ihrer verzerrenden Darstellung dessen, was Menschen auszeichnet, immer etwas Bedrohliches inne. Vor Clowns muss man auf der Hut sein: Im einen Moment lacht man noch über ihre Witze, im nächsten Moment ist man selbst Opfer ihrer Spötteleien oder hat eine Torte im Gesicht. Tingeltangel-Bob, der jahrelange Sidekick von „Simpsons“-Clown Krusty, wurde durch die permanente Demütigung durch Krusty sogar so weit getrieben, dass er sich dem Verbrechen zuwandte. Der Serienmörder John Wayne Gay, der in den 1970er-Jahren mindestens 33 Jungen und Männer vergewaltigte und ermordete, trat als Pogo der Clown auf Straßenfesten auf, um Kinder zu unterhalten.

Es ist nicht verwunderlich, dass sie so eine beliebte Figur für das Horrorgenre sind. Die Steven-King-Adaption „Es“, (1990), der B-Film-Klassiker „Killer Clowns From Outer Space“ (1988) und „American Horror Story: Freak Show“ (2011) sind nur eine kleine Auswahl aus über fünfzig Horrorfilmen, die mit der Angst vor Clowns spielen. Neben Pennywise, dem Antagonisten von „Es“ ist der bekannteste Clown-Schurke der Popkultur wohl die Batman-Nemesis „Joker“: ein Clown mit weiß bemaltem Gesicht und grünen Haaren, der Gotham City mit seinen diabolischen Machenschaften in Angst und Schrecken versetzt. Der Joker ist innerhalb der letzten Jahre zu weit mehr als einem Comicschurken geworden: Inzwischen ist er Meme, Maskottchen und Identifikationsfigur obskurer Onlinegruppierungen, von sogenannten „Shitpostern“ bis hin zu den frauenhassenden, potenziell gefährlichen Incels.

Der Joker des Batman-Universums ist der komplett wahnsinnige „Clownprinz des Verbrechens“, ein Schurke mit nicht näher definierter Vergangenheit, der gerade aufgrund dessen, dass es keine Begründung für seine Taten gibt, ein so faszinierender Gegenspieler ist. Nicht nur im Comic, sondern auch im Film haben Autor*innen das Bedürfnis, sich vor allem dem Joker zu nähern: „Batman“ (1989) von Tim Burton, „The Dark Knight“ (2008) von Christopher Nolan oder „Suicide Squad“ (2016) von Zac Snyder. Er ist die Versinnbildlichung des Bösen, das aufgrund seines absoluten Nihilismus und seiner kompletten Ignoranz gegenüber dem*der Einzelnen willkürlich zuschlagen und treffen kann. Laut Joker sind die Welt und das eigene Leben letztendlich ein großer, kosmischer Witz, warum sollte man also nicht dem Wahnsinn verfallen? Oder gar versuchen, Gotham City oder die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Das Lachen, nach Sigmund Freud Reaktion auf den Schock, wird hier zu dessen Affirmation: Man kriegt sich nicht mehr ein über Zerstörung und Tod.

Um zu verstehen, welche Rolle Clowns im Allgemeinen und Joker im Besonderen für einen bestimmten Typus „Männer im Internet“ spielen,

braucht es einen kurzen Exkurs in einen äußerst obskuren Teil von Meme-Kultur. Ich stieß vor einigen Jahren auf Reddit – ein großes Forum mit Unterforen zu allen erdenklichen Themen: von Plattformen für trans Jugendliche über vegane Kochrezepte bis hin zu Männerrechtlern – auf eine Reihe von Memes, die den Joker abbildeten, darunter Zeilen wie: „Wenn der nette Typ einmal zu viel abgelehnt wird, zeigt der Teufel sein Gesicht.“ Edgy, wie die jungen Leute sagen. Ein anderes Meme zeigte den Joker und Harley Quinn aus „Suicide Squad“, darunter den Schriftzug: „Das könnten wir sein, Veronica. Aber du hast beschlossen, dem netten Gentleman-Gamer in den Rücken zu fallen und Chad zu daten.“ Ob das Meme ernsthafter Frustausdruck eines gekränkten Gamers war, der nicht ertragen kann, dass das Objekt seiner Begierde lieber mit einem „Chad“, also dem Synonym für hegemoniale Männlichkeit, ausgeht statt mit ihm, oder ob es ein Witz über den beleidigten Gamer war, ließ sich schwer sagen. Diese ironische Gratwander…