Das “Muschiballett” ist die 45 Minuten lange Performance trashiger Diskursanalyse patriarchaler Kontinuitäten und Realitäten in Filmen, Familien, Kanonliteratur, Werbung und Musik. Dahinter stecken Julia Louise (29) und Julia Ana (27), die auf der Bühne zwei Katzenomas namens Ana Gerdela Pony und Gisa Louise Pony spielen. Dabei sind sie abwechselnd hysterisch, persilfieren Kate Perry, und zeigen sich mal rasiert, mal unrasiert. Ein Interview über Muschis, Inspirationen und Feminismus.

Interview: Christine Dohler

Wer sich selber so nennt, muss auf diese Frage gefasst sein: Wie reagieren Menschen auf euren Namen „Muschiballett“?

Julia Ana: Findest du? Ich hätte es überhaupt nicht erwartet, das es Kommentare gibt. Aber tatsächlich gibt es hier und da ein Stirnrunzeln oder eine Bemerkung. Meine Top drei dieser Reaktionen: „Muschi, hab ich nicht, interessiert mich nicht.“ Auch gut: „Pussyballet? That’s rude!“. Die Nummer eins ist aber ganz klar: „Zeigt ihr da dann eure Muschis?“

Julia Louise: Es gab schon einige Männer, die konnten und wollten das Wort Muschiballett nicht sagen. Es scheint zu irritieren. Viele Frauen finden es auf Anhieb toll, manche problematisch. Ausserhalb der Performance- oder Queerszene gab es Blicke, die so etwas wie „Aha, jetzt ist sie völlig durchgedreht!“ verrieten.

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Julia Ana: Ich finde Muschi gut für den Alltag. Das F-Wort oder Vagina taugt mir so gar nicht. Fühlt sich so an, als wenn mir jemand ins Ohr flüstert, er wolle mich verwöhnen oder als beiße jemand auf ein Taschentuch. Fötzchen vielleicht, im richtigen Zusammenhang. Richtig schlimm ist Scheide, dann doch lieber Vagina. Aber das ist mein persönlicher Spleen. Sollen sie doch alle benennen wie sie wollen. Hauptsache, sie benennen sie mal.

Julia Louise: Für mich ist Muschi ein gutes Wort, klar. Ich mag die Verbindung zur Katze, zum Felligen, Weichen, Pelzigen. Gerade jetzt, wo alles glattrasiert sein muss. Woher kommt das eigentlich? Bäh, ich bin ein Mensch und verleugne mein kleines bisschen Fell, das ich wie die Tiere habe? Sehr gern mag ich auch „Zobelchen“, ein Begriff aus dem 17. Jahrhundert – da ist der Fell-/Tierbezug auch ganz deutlich.

Wie reagiert Ihr, wenn Euch andere als Feministinnen bezeichnen?

Julia Ana: YEAH! YEAH! und YEAH! Obwohl ich Emanze noch besser finde. Rein etymologisch.

Julia Louise: Zunächst prima. Es versteht jede/r etwas anderes darunter. Ich interpretiere so eine Zuschreibung positiv, weil FeministInnen nicht der Meinung sind, dass zwischen den Menschen Rechte und Ressourcen gerecht verteilt sind. Und das ist schon mal ein guter Ausgangspunkt.

Was meint Ihr: Findet in unserer Gesellschaft ein befriedigender Diskurs über Feminismus statt?
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Julia Louise: Mir fehlt mehr Kommunikation unter Frauen über das Thema und auch explizit die Reflektion von Feministinnen über den eigenen sozialen Status. Nur weil ich eine Frau bin oder mich als Feministin bezeichne heißt das ja nicht, dass ich nicht auch von hierarchischen Strukturen profitieren kann. Gerade weiße Mittelschichtsfrauen (ich zum Beispiel) blenden ihre eigene Dominanz in Bezug auf Rassismus oder Klasse gerne aus.

Julia Ana: Unbefriedigend ist zum einen, immer wieder dieselben Sachen erklären zu müssen und zum anderen auch selbst immer wieder in Sexismen zu verfallen. Ein Beispiel: An einem Tag erkläre ich einem Freund, warum ein Computerspiel, bei dem es darum geht so viele Frauen wie möglich flach zu legen, sexistisch ist. Aber am nächsten Tag tituliere ich denselben Freund als „Pussy“, weil er kein Blut sehen kann! Wenn wir auf der Bühne stehen und es geht um Feminismus, freuen sich immer alle, wir sehen ja meist recht ungefährlich aus, eben wie lustige Omas. Ich glaube das nimmt den Leuten viel Angst vor dem Thema.

Was nehmen die Zuschauer*innen nach Eurem Auftritt mit?

Julia Louise: Das kommt auf den Kontext an. In der queer-feministischen Szene gibt es viel Zuspruch, vielleicht ist es da so eine Art Katharsis. Es gibt auch ZuschauerInnen meist männliche, für die ist das „Muschiballett” vor allem sehr lustig und unterhaltend und es gab Reaktionen von Frauen, die meinten, sie müssten sich jetzt erstmal zurückziehen und verarbeiten, worum es ging.

Julia Ana: Wir versuchen die Absurdität und vermeintliche Unausweichlichkeit dieses in uns Eingeschriebenen darzustellen, das ist witzig und traurig, daher gibt es viel zu lachen, ein bisschen was zu denken und manchmal was zum weinen. Als wir das Muschiballett zum ersten Mal gezeigt haben, kam hinterher ein Freund zu mir und meinte, er hätte ein bisschen was von Feminismus/Sexismus verstanden. Das war nett, weil so geht es mir auch jedes Mal.

An welchen Körperteilen habt Ihr nach der Aufführung die meisten blauen Flecken?
Beide: Je nach Bodenbelag handelt es sich um Schürfwunden, Prellungen oder Brüche. Aber wir sind ultratough!

Woher nehmt Ihr die Inspiration für Eure Ideen auf der Bühne?

Julia Louise: Kulturhistorische kritische Texte. Drag. Gedichte. Politische Aktionen. Die Ernsthaftigkeit und Klarheit anderer Personen. Andere tolle PerformerInnen, mit und von denen ich lerne, vor allem hier in Berlin.
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Julia Ana: Echte Geschichten, Internet, Bücher… Inspiration lauert an jeder Ecke. Wir erfinden ja nichts, wir variieren nur. Tante Ines Pony, meine Mitbewohnerin und ich holen zum Beispiel alle Bücher aus den Schränken und verteilen sie in der Wohnung, dann lesen wir uns laut wahllos Passagen vor. Passt immer. Wirklich immer. Da sieht man mal, wie willkürlich Wissen ist.

Wo würdet Ihr gerne einmal auftreten und vor welchem Publikum?

Julia Louise: Muschiballett ist für alle.
Julia Ana: In süddeutschen Schulen. Die würden ausflippen. Und im Vorprogramm von Mario Barth, um ein paar Sachen klar zu stellen.

Kleine Selbstbeschreibung des Muschiballetts
Ana Gerdela Pony und Gisa Louise Pony sind seit 2003 Schwestern. Es war Liebe auf den ersten Blick beim Erdbeerpflücken in Andalusien. Seit 2009 haben sie eine Ärztin im Team: Tante Pony, die Bastelpädagogin. Sie alle teilen neben dem Grundsatz „Mind over Manner, Crew over Money“ ihren Schmuck, ihr Erspartes und manchmal die Katze. Sie sind zertifizierte Performance-Coaches und lernen gerne von und mit anderen.
Bühnen sind Sockel, Hierarchie stört den Ideenfluss, Gewalt ist nicht das einzige Mittel, um Authentizität und Nähe zum Publikum herzustellen. Ein bisschen sind sie obdachlos, denn die alten schönen Fabriketagen in Berlin werden immer ordentlicher. So – give us your Nische in your Wohnzimmer, und wir werden auf dem Fensterbrett tanzen! Ihr erreicht uns unter: julias.berlin@yahoo.de