Von Margarita Tsomou
Wie fühlt es sich an, Zärtlichkeit zu kaufen? Das durfte ich vergangene Woche zum ersten Mal in der Berliner Capri Bar probieren, wo vom 2. Bis zum 13. September das Stück „Duras in der Capribar“ aufgeführt wurde, ein Performancetheater unter Verwendung des Werkes „Krankheit Tod“ von Marguerite Duras. Dabei durchlief ich ein Wechselbad der Gefühle, zwischen lüsterner Leidenschaft und nachdenklicher Melancholie.
Das Setting des Performancetheaters „Duras in der Capribar“ operiert mit den Spielregeln eines Etablissements, in dem Liebe käuflich ist – Küsse, intime Tänze, persönliche Gespräche können gegen die erworbenen roten Plastikherzen getauscht werden. Der Unterschied ist lediglich, dass hier auch Frauen die sinnlichen Dienstleistungen der Caprigirls und -boys wahrnehmen können. In jener „Objektbar für ihn und sie“ sind Frauen explizit dazu aufgefordert, ihr Gegenüber zu objektifizieren.
Dieser Rollentausch ist von Marguerite Duras Biografie selbst inspiriert.Die bekannte Autorin und Filmregisseurin unterhielt mit 66 Jahren eine Beziehung mit einen 40 Jahre jüngeren Liebhaber, in der sie vergeblich versuchte, beide Rollen einzunehmen: die des begehrten Objekts wie die des begehrenden Subjekts. Um jene unmögliche Balance zu verarbeiten, diktierte sie ihm den Text „Krankheit Tod“, der die Basis für das Performancestück ist und davon erzählt, wie schwierig es ist, sich zu lieben. So führt das Stück über die Unkompliziertheit der gekauften und bestellten Intimität zu den Rätseln der Liebe in einer von sexueller Repräsentation überquellenden Zeit.
In der informellen Atmosphäre des Barraums (einer der drei Spielorte des Stücks) hat man als Frau die Möglichkeit, dieses seltene Gefühl vom Besitz eines anderen Körpers nachzuvollziehen. Doch die anfängliche Faszination der Macht eines „Freiers“ mischt sich schnell mit der bitteren Gewissheit, dass die signalisierten Liebkosungen unecht sind: die schöne Candy verlangt vier Herzen für einen Stehblues und beendet sachlich jeden Akt, sobald ihre Sanduhr durchgelaufen ist. Das fade Gefühl der Fälschung kann man nur mit der Wiederholung des Spiels, dem Kauf von noch mehr Herzen überspielen . Doch bevor die Sucht einen ruiniert, unterbricht die Besitzerin des Etablissements (gespielt von der Regisseurin Gabi Hift) das Geschehen. Sie führt an einen dunklen, kargen und ungemütlichen Ort, der Schauplatz eines misslungenen Liebesversuchs werden soll: Körper prallen ungeschickt aufeinander, vermögen weder sich noch das Publikum zu erregen und zeigen das Trauerspiel eines stumpf gewordenen Begehrens ohne Einfühlsamkeit.
Zurück in der Capribar, kann man/frau sich glücklich schätzen, in die Gemächer der Caprigirls eingeladen zu werden, dem dritten und geheimen Schauplatz des Stücks. Zwischen heiter-laszivem Gelächter diskutieren wir dort – nun angeblich privat –, warum trotz der allgegenwärtigen sexuellen Freizügigkeit die Liebe nicht einfacher geworden ist. Auch wenn die Antwort weiter aussteht, bleibt der Abend ein eindrucksvolles und intensives Erlebnis – besonders für uns Frauen!
Duras in der Capribar
Regie: Gabi Hift
Foto: Copyright Gabi Hift.