Zwischen Tür und Angel, mit tragbarer Musik und einem kurzen Blick in  nichtssagenden Fernseher friste ich ein schwimmendes Dasein in einer Konsenssoße, der irgendjemand einen Stempel mit Popkultur aufgedrückt hat. Abgesehen von ein paar vereinzelten riot grrrls, denen gelungen ist, die Strukturen einer perfiden Unterhaltungsindustrie aufzubrechen, werden auf weiter Flur boobs und booties geshaked und von aufgespritzten Lippen besungen. Die Seite der Mädchenmannschaft im Vorbeigehen streifend stelle ich diese Woche fest, dass das intermediale Phänomen bereits auf webjunkies best friend Twitter übergreift – trauriges Denkmal dafür der Artikel „Americas Tweethearts“ in der Vanity Fair. Gekürt wird zunächst die Wortkreation „Twilebrity“ und deren Definition: weiblich, naiv, 24/7 Tweets produzierend, Inhalt derselben: Aufhübschen, Twilight und ein großes Bla. Ansprechende Äußerlichkeiten seien ebenfalls von Nutzen; als vermeintlicher Schlüssel zur überhöhten Aufmerksamkeit wird auch die Zahl der Follower von Felicia Day, ihres Zeichens Netz-Koryphäe im Bereich des Online-Fernsehens, auf ihr elfenhaftes Aussehen heruntergebrochen. Mit einer einseitig blinden Autorin und einigen Häschen, die das Klischee stützen wie ihre Brüste mit einem ordentlichen Push-Up-Bra, droht die stumpfe These als Maßgabe vermeintlicher Ansprüche zur self-fulfilling prophecy aufzusteigen.

Die Omnipräsenz des üblichen Girlieschemas auf allen Ebenen einer medialen Öffentlichkeit gegen sinnhafte, niveauvolle und ausdrucksstarke Weiblichkeit einzutauschen gelingt bis auf wenige Ausnahmeerscheinungen im Fließbandprogramm meist nur dort, wo ich bestimme, was läuft – my iPod is my castle. Glücklicherweise bieten eine Vielzahl höchstmusikalischer Ladies die gebotene Abwechslung von Rap-Bitches und Lollipopsternchen, angefangen bei der großartigen Simone White.

Mit einer Stimme aus Glas und begleitender Akustikgitarre gelingt ihr ein Soundtrack der Extraklasse. Sie singt dabei von Liebe und Alltag, Politiken und kleinen Lebenskostbarkeiten – und zwar so gut, dass ihre Titel beinahe jede Situation ausfüllen als seien sie exakt für den Moment geschrieben. Letzten September beim Reeperbahnfestival avancierte sie nach einem ungeschminkten Konzert, ausgestattet mit Hocker, Mikro und obligatorischem Instrument schnell zur berührenden Favoritin meiner to-see-Liste.

Meine Live-Erfahrungen mit Dillon, einer aufstrebenden Indiedame mit wohlplatzierten elektronischen Beats, müssen noch bis zum 11. März warten um gemacht zu werden. Dann kommt sie als Support von Tocotronic auf ihrer Schall und Wahn – Tour nach Heidelberg in die Halle02. Im Übrigen tourt sie mit den Königen des schrägen Rocklebens ab dem 30. Januar quer durch Deutschland und Österreich, die Investition in ein Ticket könnte sich lohnen – wovon ihr euch hier überzeugen könnt.

Zum Bier vor dem Ausgehen oder für anderweitig überschwängliche Momente lege ich mit größter Vorliebe den aufgedrehten Sound der vier Norwegerinnen von Katzenjammer an Herzen. Entgegen aller Assoziationen handelt es sich um Tanzmusik vom Allerfeinsten, stammend aus einer eigenwilligen Kombination von Instrumenten, etwa Banjo und Mandoline oder Akkordeon, Balalaika und Trompete. Zusammen mit ein paar Drums erschaffen ein kleiner Haufen beeindruckende Frauen auf der Bühne Musik zum Rumspringen, Reste vergessen und das Leben in Reinform genießen.

Wer von euch mehr der rockenden Ladies in seiner Mediathek bereithält: die Kommentarfunktion steht euch frei für ein paar heiße Tipps gegen die Müdigkeit des Alltagspop.

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