Es gibt zwei Dinge, die ein Mensch selbst erlebt haben muss, bevor er davon berichten kann: Töten und ein Kind bekommen. Ich habe schon vielen Menschen einen langsamen, schmerzhaften Tod gewünscht, aber aufgrund pazifistischer Grundhaltung eben auch nur gewünscht. Aber ich habe vor ziemlich genau einem Jahr ein Kind bekommen. Und das war das schrägste, was mir bis jetzt passiert ist. Und zwar nicht in diesem herkömmlichen Sinne, wie es in Büchern steht, z.B.: „Der schönste Moment in meinem Leben: Ich kann dich, Jara, zum ersten Mal im Arm auf meiner Brust halten.“ Ich für meine Person kann mich an diesen Moment kaum noch erinnern, weil ich vollgepumpt mit Medikamenten war, völlig im Arsch von 12 Stunden Wehen und dann doch Kaiserschnitt, und einen Namen hatte der Sohn auch noch keinen.
Mein Sohn. Ein fremdes Wesen, das ich auf Knopfdruck lieb haben sollte, weil das bei Müttern eben so ist. Aber ich wünsche mir doch auch nicht 10 Monate einen Freund und dann lasse ich einen wildfremden Typen bei mir einziehen und liebe ihn, obwohl er sich aufführt wie ein Pflegefall.
Ich brauchte eine Eingewöhnung. Die ersten zehn Wochen habe ich mein Kind nicht verstanden. Ich bin nicht vor Glück zerflossen, ich habe lediglich funktioniert. Ich hatte Angst. Dass sich das Kind zwischen den Mann und mich drängt. Dass ich keine Zeit mehr für mich habe. Und ich kam mit meiner neuen Rolle als Hausfrau und Mutter nicht zurecht. Ich habe mich so schrecklich einsam gefühlt. Alle machten mit ihrem normalen Leben weiter, nur ich war Leibeigene eines Neugeborenen geworden, und statt mich zu loben, brüllte es mich hauptsächlich an. Ich schob das schreiende Kind im Kinderwagen Runde um Runde durch den Schanzenpark. Damit ich das Geschrei nicht mehr ertragen musste, habe ich Musik gehört.

Und wer in dieser Zeit mein Herz berührt, mir aus der Seele gesprochen und mich mit Pathos und Mut aufgepustet hat, war Jenny Wilson. Ihr zweites Album „Hardships“ handelt nämlich von den Strapazen der Mutterschaft und ist dabei musikalisch ganz großartig und fantastisch. Sie wirft RnB mit Elektro, Streichern und allem anderen in einen Topf und macht sogar aus dem Umrührgeräusch noch einen Beat. Aber anstelle damit zu verstören oder zu nerven wie Björk inzwischen, ergeben alle diese avantgardistischen Elemente ein überwältigendes Ganzes. Jeder Song ist ein melodisches Geschenk. Wer eine volle Rezension lesen will, der/dem sei der Text von Silke Janovsky ans Herz gelegt. Wer das Album kaufen will, kann das ab Mitte März nun endlich auch in Deutschland tun. Und wenn ihr seht, dass Jenny Wilson in eurer Nähe ein Konzert gibt, solltet ihr hingehen. Ich habe sie vor vier Jahren gesehen, und es war der blanke Wahnsinn, wie sie ihre Musik vom Album auf die Bühne gebracht hat. Und wer sie noch nicht kennt, kann sich hier blitzverlieben. Falls es ein bisschen länger dauert, macht das nichts. War bei mir und meinem Kind auch so.

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Das nächste Stück ist von ihrem ersten Album, das übrigens auch jeder Plattenschrank mit Kusshand nimmt.[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=ao_NVUCyz-0[/youtube]