Jubelgründe
Von
Ich habe es ja schon angekündigt: Gestern Nacht wurden zum 82. mal die Oscars verliehen und es war wirklich ein wenig anders als sonst. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann mich die Academy Awards überhaupt mal richtig interessiert hätten und wenn ich ganz ehrlich bin, hab ich in den letzten Jahren mehr Zeit damit verbracht, die Kleider auf dem roten Teppich zu studieren als die Nominierungen.
Und genau dort konnte man schon die erste Veränderung ablesen: Der Gang in die Verleihung war ein modisches Schnarchfest. Alles, was in den letzten fünf, sechs Jahren an langweiligen Schnitten und Farben gegeben hatte, war nochmals vertreten. Ich habe heute morgen die eine oder andere andere Seite auf der Suche nach einem interessanten Outfit durchstöbert, aber nichts gefunden.
Meinen Preis für die witzigste Äußerung auf dem roten Teppich, den die letzten Jahre immer Tina Fey (30 Rock) abgestaubt hat, bekommt Gabby Sidibe. Die sagte zu ihrem Kleid: „If Fashion Was Porn, This Dress Would Be The Money Shot.“ Das nährt meine Hoffnung, dass man die Hauptdarstellerin aus Precious bald im Comedyfach wiederfinden kann, die war nämlich in den Interviews zu ihrem Film Precious durch ihre Schlagfertigigkeit und klugen Statements aufgefallen.
Moderiert wurde die Verleihung von Steve Martin und Alec Baldwin, aber eröffnet hat sie der großartige, scheinbar unfehlbare Neil Patrick Harris (How I Met Your Mother, Dr. Horrible’s Sing-Along Blog) mit einer erneuten Musicalnummer. Die Videoqualität ist leider sehr schlecht, aber die ganze Awesomeness seines Auftritts lässt sich trotz Wackelbilder locker erkennen. (siehe unten)
Dann bekommt Christoph Waltz seinen Oscar als bester Nebendarsteller für seine Rolle als Hans Landa in Tarantinos Inglorious Basterds. Das ist keine sonderlich große Überraschung und auch verdient, wie ich finde. Allerdings hat mich Bert Rebhandels Kritik, die er gestern auf der Cargo-Seite formulierte, doch zum Nachdenken gebracht.
Darin schreibt er über den Widerspruch in Waltz Performance:
„es ist dieser Aspekt an der Rolle, den Christoph Waltz mit seiner Deadpan-Virtuosität besonders genießbar macht: dass da einer auf der falschen Seite und zugleich über den Dingen stehen kann. Das geht nun aber eben nur dadurch, dass die Figur des Hans Landa tatsächlich vor laufender Kamera ständig entnazifiziert wird: vom Klischee des kultivierten Mörders, eine Figur, die vor allem Heinrich Himmler sehr angelegen war, bleibt bei Landa nur der kultivierte Snob, der sich mit den lächerlichen Spitzennazis von INGLORIOUS BASTERDS niemals gemein machen würde. Nebenbei ist Landa auch das: ein Subalterner, der seine Funktion des „kleinen Rädchens“ durch Stil kompensiert.“
Ich sage trotzdem: Herzlichen Glückwunsch! Und denke weiter.
In der Kategorie der animierten Filme gewinnt Up! und nicht Coraline, nach einer Geschichte von Neil Gaiman, den ich lieber hätte gewinnen sehen. Aber nun gut. Ich bin ja leider nicht die Jury. ( DAS würde mir allerdings sehr gut gefallen.)
Dann aber mein erster großer Woohoo-Moment: Mark Boal gewinnt den Oscar für Best Original Screenplay. Der erste Preis für The Hurt Locker!
Sogar das Rahmenprogramm ist gar nicht mal so schlecht: Das John Hughes-Tribute ist so rührend wie es sein sollte. Es ist ja auch am besten, wenn einem die Schmalztränen zu einem Regisseur, den man mag in die Augen schießen, als, sagen wir mal, zu einem Til-Schweiger-Einspieler. Sowas könnte einem beim Schauen der Bambi-Verleihung ja durchaus passieren.
Damit muss ich mich aber glücklicherweise nicht lange aufhalten, denn die Verleihung beschert mir schon meinen zweiten Jubel-Moment. Die Comedienne Mo‘Nique bekommt für ihre Rolle als Precious Mutter Mary den Oscar als beste Nebendarstellerin. Den hat sie sich nun wirklich verdient. Ihre Performance als misshandelnde, lieblose und verwahrloste Mutter im Harlem der 80er Jahre war so eindringlich und so brutal, dass ich mitunter Probleme hatte, ihr zu zuschauen und dabei vollkommen vergessen habe, dass Mo‘Nique eigentlich sehr lustige Stand Up-Programme macht.
Den Oscar als beste Darsteller gewinnen Jeff Bridges und Sandra Bullock. Das hätte schlimmer kommen können, aber natürlich auch viel besser: Wenn nämlich Meryl Streep, Gabby Sidibe, Helen Mirren und George Clooney gewonnen hätten. Aber ich bin ja immer noch nicht die Jury.
Das spielt aber in den letzten Minuten keine Rolle mehr, denn die hat offensichtlich so abgestimmt, wie ich das auch getan hätte: Kathryn Bigelow und The Hurt Locker gewinnen beste Regie und bester Film! Hurra!
Es ist also tatsächlich eingetroffen. Es haben wirklich die beste Regisseurin, der beste Film und die erste Filmemacherin die Oscars gewonnen! Insgesamt 6 Oscars für The Hurt Locker! Das ist ein echter Grund zum Feiern.
Noch ein paar weitere Gedanken zum Oscar:
– Ben Stiller als Avatar-Schlumpf? Großartig. Goldig.
-Die Preise, die James Camerons Avatar mit nach Hause nimmt, sind verdient, denn er hat nicht den besten Film gedreht, aber seine Ingenieur-Leistung ist beachtenswert. Und genau die Oscars hat er auch bekommen.
-Dieses Tote-Leute-Tribute könnten sie mal weglassen. Das hat gar keinen honorige, sondern nur eine erbärmliche Wirkung. Da fühle ich mich dabei immer wie in einer Jugendzimmercollage eines besonders unheimlichen Menschen.
-Michael Haneke hat wohlverdient keinen Oscar mit nach Hause genommen. Besserwisserisches, vermeintlich allmächtiges Regietum ist wohlverdient nicht ausgezeichnet worden. Noch mal: Hurra!
-Zum ersten Mal wurde das Horror-Genre mit einem eigenen Einspieler gewürdigt. Angekündigt wurde das Video zwar von den Twilight-Schauspielern, weil jemand wohl fälschlicherweise die schwülstigen Blutsauger mit richtigen Schockern in Verbindung gebracht hatte. Ein Grund zum Freuen ist das aber allemal. (Das Video ist leider auch schon nicht mehr verfügbar.)
-Es waren wirklich noch nie so viele gute Filme, Filmemacher und Schauspieler nominiert, denen ich den Preis auch gegönnt hätte. Für Lee Daniels mit Precious, Neill Blomkamp mit District 9 und Quentin Tarantino mit Inglorious Basterds hätte ich unter anderen Umständen gefiebert. Aber es war defintiv eine gute Einscheidung, dass das erste Mal zehn Filme nominiert wurden. Das hat sowohl die Spannung als auch die Vielfalt erhöht.
-Ich habe allerdings ein bißchen Angst, dass die Diskussion The Hurt Locker vs Avatar in den nächsten Tagen auch die überholte Diskussion Indie vs Mainstream neu befeuert. Unter allen möglichen Maßstäben in denen man die Unterschiedlichkeit der Filme debattieren kann, wäre das die blödeste.
So, damit geht meine Oscar-Aufregung der letzten Woche also zu Ende. Ich sage Happy Women‘s Day, herzlichen Glückwunsch liebe Kathryn und suche mir einen neuen Hype.
Hier noch das Video zur Eröffnung:
Bild von Gabby Sidibe via.