Die schwedische Folk-Band First Aid Kit begeisterte schon in vergangenen Tagen mit sanften Songs das Hamburger Publikum. Am 6. April spielten sie im intimen Setting der Prinzenbar die Stücke ihrer neuen Scheibe. Missy traf die beiden Schwestern Johanna und Klara Söderberg vor dem Konzert zu einem kurzen Talk.

Eure Band heißt First Aid Kit. Wer von euch beiden hat sich den Namen einfallen lassen und wie kam es dazu?

Klara: Als ich ungefähr 13 Jahre alt war, suchte ich in einem Englisch-Wörterbuch nach einem Namen für unsere Band und da ist mir „First Aid Kit“ sofort ins Auge gefallen. Erste Hilfe passte perfekt zu uns, da wir mit unserer Musik Menschen bewegen und helfen wollen.

Ihr kommt aus Stockholm. Ist das ein guter Startpunkt für Bands?

Johanna: Stockholm ist auf jeden Fall ein perfekter Ort für Bands. Die Stadt hat eine starke Musikszene und bietet somit eine perfekte Plattform für neue KünstlerInnen. Es gibt Millionen kleiner Clubs und eine große interessierte Musikgemeinschaft. Allerdings ist die Folk-Szene in Schweden nicht sehr ausgeprägt. Daher ist es für uns nicht ganz leicht, uns mit unserem Musikstil gegen Pop-Bands durchzusetzen.

Welches sind eure Lieblingsorte in der Stadt?

Johanna: Mein persönlicher Geheimtipp für alle Stockholm-EntdeckerInnen ist die „Södra Bar“ in Slussen, ein preiswertes Restaurant, das eine fantastische Aussicht über die Stadt bietet.

Klara: Mein Lieblingsort ist „Vitabergsparken“. Der kleine Park liegt in Södermalm, dem südlichen Teil Stockholms. Ich liebe es, dort im Sommer oder Frühling mit meinen Freunden abzuhängen und die Sonne zu genießen.

Wann habt ihr angefangen, Musik zu machen?

Johanna: Klara hat mit 14 Jahren ihre ersten Songs geschrieben. Kurz darauf haben wir ernsthaft angefangen Musik zu machen, zusammen ein paar Stücke eingesungen und auf unsere Myspace-Seite gestellt, das war 2007. Mit großem Erfolg. Schon wenige Monate später supporteten wir Taxi Taxi! auf ihrer Schweden-Tour.

Warum habt Ihr euch für die gute alte Folk-Musik entschieden? Was ist eure Beziehung zu diesem Musikstil?

Klara: Was ich besonders an  dieser Musik mag, ist, dass sie sehr simpel und aufrichtig ist. Es geht nicht darum, auf der Bühne irgendwie cool herum zu posen, sondern mit einfachen Mitteln und ehrlichen Texten das Publikum zu unterhalten.

Ihr spielt als Schwestern zusammen in einer Band. Ebenso ist es zum Beispiel im Fall von Taxi Taxi! oder Tegan and Sarah. Denkt ihr, dass es ein Vorteil ist, mit seinen Geschwister in einer Band zu sein?

Johanna: Auf jeden Fall. Klara und ich haben eine sehr enge Beziehung und kennen uns gut. Ich denke, dass ist auch bei unseren Songs zu hören. Manchmal haben wir sogar gleichzeitig eine Idee für dieselbe Melodie. Außerdem sind sich unsere Stimmen sehr ähnlich und harmonieren perfekt zusammen.

Klara: In der Tradition des US-amerikanischen Folk gibt es viele Familien und Brüder, die zusammen Musik machen, aber leider nur wenige Schwestern.

Ihr habt gerade euer erstes Album auf den Markt gebracht. Wie war die Arbeit an den neuen Stücken?

Johanna: Wir mussten nicht in einem Studio unter Zeitdruck aufnehmen, sondern haben die Songs bei uns zu Hause in meinem Schlafzimmer aufgenommen. Unser Vater ist unser Produzent und hat uns bei den Aufnahmen sehr unterstützt. Dadurch erhalten unsere Songs eine sehr intime und individuelle Note. Wir haben jede freie Sekunde am Wochenende, in den Ferien oder zwischen den Hausaufgaben genutzt, um an der Platte zu arbeiten.

Klara: Gleichzeitig war es aber auch sehr schwer, abzuschalten und sich vollkommen auf den Song einzulassen, wenn wir fünf Minuten vorher noch über Mathematikaufgaben brüteten. Wir haben dann einfach das Licht gelöscht und uns in völliger Dunkelheit auf das Lied konzentriert.

Was ist eurer Meinung nach das Besondere an eurer Musik?

Johanna: Wir wollen nicht analysieren, was die Leute genau an unserer Musik schätzen oder hinterfragen, was sie von uns erwarten. Wir machen Musik für uns selbst, weil wir es müssen. In unseren Köpfen schwirren Melodien und Textzeilen herum, die einfach raus müssen.

Klara: Ich glaube aber, dass sich die Leute besonders mit unseren poetischen, ehrlichen Texten identifizieren können. Das freut uns besonders, da wir sehr viel Gefühl und persönliche Gedanken in unseren Songs verarbeiten.

Habt ihr musikalische Vorbilder?

Klara: Wir haben viele amerikanische Vorbilder. Bright Eyes hat uns zum Beispiel bei unserem musikalischen Schaffen sehr geprägt. Als ich 12 Jahre alt war, erzählte mir ein Freund von dieser amerikanischen Folk-Band. Ich war von der ersten Sekunde an von ihrer Musik fasziniert. Kurz darauf kaufte ich mir meine erste Gitarre und begann eigene Songs zu schreiben.

Johanna: Bright Eyes haben uns definitiv sehr stark beeinflusst und zu vielen Songs inspiriert.

Ihr singt oft über Themen, die man eher von älteren Frauen mit mehr Lebenserfahrung erwarten würde, wie zum Beispiel das Kinderkriegen oder Eheprobleme. Woher nehmt Ihr diese Eindrücke?

Johanna: Wir wollen durch unsere Songs eine Geschichte erzählen, mal über uns selbst und mal von anderen Menschen. Auch wenn ich über eine Mutter mit drei Kindern singe, besteht immer eine Verbindung zu mir selbst, da ich aus meiner eigenen Perspektive eine Situation beschreibe. Dafür muss ich das aber nicht selbst erlebt haben.

Ihr seid mit einer Coverversion des Fleet Foxes- Songs „tiger mountain peasant song“ bekannt geworden. Habt ihr noch weitere Songs gecovert?

Klara: Oh ja, das Fleet Foxes-Cover war der Hit. Wir hätten nie mit einem solch positiven Feedback gerechnet. Nach der Veröffentlichung haben wir auf unserer Homepage eine Umfrage gestartet, bei der unsere Fans abstimmen konnten, welche Lieder wir noch covern sollen. Leider konnten wir bisher aus Zeitgründen nur zwei Vorschläge umsetzen: Einmal den Elvis-Klassiker „Blue Christmas“ und „Like a Soldier“ der Folk-Legende Johnny Cash. Wir hoffen aber, dass wir in Zukunft noch weitere Covers aufnehmen können.

Und wie macht Ihr das mit der Schule, wenn Ihr die ganze Zeit auf Reisen seid?

Klara: Wir gehen beide gerade nicht zur Schule. Das ist aufgrund des gut gefüllten Terminplanes auch nicht möglich. Ich mache seit fast zwei Jahren schon eine Pause.

Johanna: Ich habe letztes Jahr meinen Abschluss gemacht.

Habt Ihr weibliche Vorbilder, die ihr bewundert?

Johanna: Die The Knife-Frontfrau Karin Dreijer Andersson spielt eine große Rolle in unserem Leben. Sie war unsere Nachbarin und hat uns bei unserem bisherigen musikalischen Weg sehr gefördert und unterstützt. Wir haben ihr viel zu verdanken. Außerdem ist Karin eine tolle Künstlerin, die grandiose Musik macht, aber auch eine starke Frau mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und steht für ihre Meinung ein. Gleichzeitig ist sie eine sehr einfühlsame Person, die sich sehr um das Wohl anderer Menschen kümmert. Ein weiteres Vorbild ist  natürlich unsere Mama.

Ihr habt auf eurer Myspace-Page gepostet: „We aim for the heart, not the charts!“

Johanna: Uns geht es nicht darum, mit unserer Musik Geld zu machen oder die Charts zu stürmen. Natürlich müssen wir auch irgendwie finanziell über die Runden kommen, aber wir wollen nie unsere Seele verkaufen. Wir machen Musik für uns selbst.

Und zuletzt noch bitte einen musikalischer Geheimtipp.

Klara: Die Singer-Songwriterin Samantha Crain aus Oklahoma macht absolut fantastischen Folkrock. Ich habe ihre Musik vor ungefähr einem Jahr im Internet entdeckt und war von ihrer außergewöhnlichen Stimme hin und weg. Außerdem wird sie uns auf unserer US- Tour supporten, was der absolute Wahnsinn ist. Wir sind schon sehr gespannt.

Interview: Marie Stauche