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Bevor es mit den richtig schweren Themen losgeht, zunächst ein Musiktipp zu einem demnächst erscheinenden Album, verbunden mit einem Konzerttipp für alle Berliner/innen. Ich hatte gestern das Vergnügen, ein paar Stunden mit der wunderbaren Nina Nastasia zu verbringen.

Die New Yorker Musikerin macht ungern Interviews, weil sie die Abfragesituation nicht mag und so das Gefühl hat, nicht adäquat reagieren zu können. In einem Geschäft, wo man nicht nur gute Musik machen muss, sondern sich auch jeden Tag aufs neue umgänglich geben muss und in einer Maschinerie aus Konzerten und Interviews geben funktionieren muss, ist das auf jeden Fall ein Hindernis. Dabei ist Nastasia durchaus eine liebenswürdige Person, die auch interessante Dinge zu erzählen hat: Die Begegnung mit ihr und ihrem langjährigen Lebenspartner Kennan Gudjonsson war, als ob man einfach ein nettes Paar irgendwo kennen lernt und mit ihnen über Gott und die Welt plaudert.

Nina Nastasia backstage im Admiralspalast Berlin / Foto: Barbara Mürdter
Nina Nastasia backstage im Admiralspalast Berlin / Foto: Barbara Mürdter

Die heute Anfang 40jährige Nina Nastasia wuchs unter schwierigen Bedingungen – ihre Mutter war schwer krank – mitten in Hollywood auf. Ihre Mutter und Großmutter bezeichnet sie als wichtige Rollenvorbilder, ebenso ihren Vater, der Komponist war. Obwohl sie als Kind Musicalfilme mochte und nach langem Drängen auch ein Klavier bekam, begann Nastasia erst spät selbst Musik zu machen: Anfang der 90er schrieb sie ihre ersten Songs, 1999 machte sie ihre ersten Aufnahmen.

Von Anfang an wurde sie von zwei Größen der Musikszene unterstützt, die das Besondere in ihren Liedern entdeckten: Der US-amerikanische Kultproduzent Steve Albini war bisher bei allen ihren Alben mit von der Partie und hob ihre Arbeit in Interviews hervor, wo er nur konnte. Ebenso angetan war der vor fünf Jahren verstorbene legendäre britische Radio-DJ John Peel: Er hatte ein Exemplar von Nastasias in der Öffentlichkeit kaum beachteten Debütalbum von Albini bekommen. Peel spielte ihre Musik auf BBC Radio 1 und nahm fünf Sessions mit ihr auf, u.a. mit der mongolischen Band Huun Huur Tu. „Ich mag eigentlich keine Weltmusik, aber sie haben so ein interessant klingendes Instrument, eine Art mongolisches Cello,“ erzählt Nastasia. In der der Zusammenarbeit stellte man dann sogar fest, dass auch der traditionelle Obertongesang zu ihren Songs passte.

Diese zeichnen sich durch emotionale Tiefe und eine melancholische Sehnsucht aus. „Ich kann irgendwie keine anderen Songs schreiben,“ meint Nastasia, „Manchmal würde ich mir fröhlichere Lieder wünschen, damit die Leute im Konzert auch mal lachen und tanzen.“ Neben diesem Markenzeichen finden sich auf jedem Album von Nastasia immer neue Aspekte – diesmal hat man mit einem kleinen Orchester gearbeitet. Drei Tage lang verbrachte man u. a. mit einem Holzbläser- und einem Blechbläserquartett in einem Studio in Chicago, um ein weiteres kleines Meisterwerk aufzunehmen. „Ich habe die ganze Zeit für alle gekocht, das war ein wichtiger Aspekt, der die Atmosphäre bestimmte“ erzählt Nastasia. Neben dem neuen Produzenten Paul Bryan und Freund Steve Albini war es auch wieder Nastasias Lebensgefährte Gudjonsson, der Nastasias Songs arrangierte und so für den richtigen Ton sorgte. Er ist so etwas wie die gute Seele hinter Nastasias Musik – mit Respekt vor der Arbeit seiner Partnerin ist er nicht nur als Arrangeur tätig, sondern als Mächen für alles: Er ist Tourmanager und Reisebegleiter, steht Nastasia in schwierigen Interviewsituationen zur Seite etc. „Meine Mutter und Großmutter haben diese Rolle für ihre Männer gespielt,“ meint Nastasia, und Gutjahrson lacht: „Jetzt ist es mal umgekehrt.“

Beide sind gerade in ganz Europa unterwegs, um das neue Album zu promoten. Dabei sind sie auch Reisende, schauen sich die Gegenden, durch die sie kommen, mit wachen Augen an und haben offenbar Spaß daran, neue Menschen kennen zu lernen. Einiges finden sie auch befremdlich – wie z. B. die tschechischen Prostituierten, die sich an der österreichischen Grenze in einem ansonsten makellos reinen Vorstadtbild vor frisch gemähtem Rasen postieren. Aber so gehe es ihnen auch eigenen Land, erzählen sie: Wenn Leute Angst vor Obama haben, oder sie auf Touren durch ländliche Regionen mit Megakirchen kommen, ist ihnen das genauso fremd, wie den meisten Europäern.

Am Donnerstag spielt Nastasia solo im Berliner Admiralspalast, um dann im Herbst mit einem ganzen Orchester zurückzukommen. Das Album „Outlaster“ erscheint demnächst auf dem britischen Label Fat Cat – ein paar Songs kann man schon auf der MySpace-Seite von Nina Nastasia anhören.

Hören:
MySpace
Last.fm

Live:
13. Mai 20 Uhr
Admiralspalast
Friedrichstraße 101
10117 Berlin
Tel: 030-47 99 74 99

Aktuelles Album
„Outlaster“ (Fat Cat)

Beim nächsten Posting wird es dann Ernst: Da gehe ich mal soziologisch und aus eigener Erfahrung der Frage nach, warum es so wenig Frauen im Musikjournalismus gibt.

Bis dahin,

Eure Barbara / Popkontext