piratenweib-rahmenLiebe Frau Schröder, liebe Spätgeborene (ob das eine Gnade ist, überlasse ich anderen zum Urteil),

Sie haben in einem sehr … hm … interessanten .. Interview vor wenigen Tagen dem Spiegel einige bemerkenswert … hm … dumme Dinge verkündet. Ja, ich muss mich da durchaus zusammenreißen, damit ich nicht gleich in den ersten Sätzen regelrecht böse werde – wie es mir so oft geht, wenn ich mich mit Dummheit herum schlagen muss.

Insbesondere sauer aufgestoßen ist mir Ihre Behauptung, die zweite Frauenbewegung hätte Familie und Kinder abgewertet und außerdem (in Form von Alice Schwarzer) heterosexuellen Geschlechtsverkehr als Unterdrückung der Frau per se definiert. Das ärgert mich maßlos, da es so vollkommen davon zeugt, dass Sie, liebe Frau Schröder-Köhler, überhaupt gar keine Ahnung von der Frauenbewegung haben. Haben Sie schon mal ein Geschichtsbuch zur Hand genommen? Ja, das sollten Sie. Informieren Sie sich auch mal über Dinge, die vor Ihrer Zeit geschehen sind, sonst könnte es nämlich passieren, dass Sie den Anschluss an die Gegenwart verlieren! Und genau das ist offenbar Ihr Problem.

Ich weiß ja nicht, welche_r Herr_en, Ihnen da eingeflüstert hat/haben, aber auf Ihrem eigenen Mist gewachsen ist Ihre seltsame Weisheit doch hoffentlich nicht. Frau Schwarzer schrieb im „kleinen Unterschied“, dass der heterosexuelle Koitus unabdingbar zur natürlichen Zeugung von Kindern ist, jedoch nicht zur Zeugung von Lust. Und das werden selbst Sie kaum leugnen können. Auch hat die Frauenbewegung nicht die weibliche Homosexualität als Lösung aller Probleme propagiert. Wie kommen Sie auf einen derartigen Unsinn? Homosexualität ist lediglich eine weitere Option, ein befriedigendes (Sexual-)leben zu führen, neben allen anderen Möglichkeiten. Und genauso sollte sie auch gesehen werden. Menschen sollten überhaupt nicht durch ihre Art der Sexualitätsausübung definiert werden. Auch Familie oder Kinder werden von Feminist_innen keineswegs abgelehnt. Abgelehnt wird aber die patriarchale Machtstruktur der konservativen Familie: „Papa schafft das Geld ran, Mama putzt und die Kinder sind nett und gut erzogen“. Dieses Schema wollen Feminist_innen nicht leben. Und sogar „Maskulinisten“ lehnen es ab, zum Familienernährer degradiert  zu werden (wenn sie auch die Gratis-Hausputzarbeit der Frauen durchaus schätzen).

Bisher sind Sie ja noch nicht nennenswert als Ministerin in Erscheinung getreten, aber haben Sie auch schon mal daran gedacht, dass Sie – ja SIE – es nur der Frauenbewegung zu verdanken haben, dass Sie überhaupt Ministerin werden konnten und durften? Wie können Sie es wagen, den Frauen, die auch für Ihre Freiheit gekämpft haben, solche Sätze vor die Füße zu werfen? Ich bin überzeugt, dass Sie, Frau Ministerin, es ohne eine Quote nicht an die Spitze des Ministeriums geschafft hätten, denn durch Leistung haben Sie Ihre männlichen Parteikollegen wohl kaum überzeugt. Oder haben Sie dabei Geheimhaltung praktiziert? Sie wurden dort aus ganz bestimmten Gründen platziert und diese Gründe waren doch durchschaubar.

Oder Ihre (?) Idee, mehr Männer in Kitas und Grundschulen zu bringen – ein nette Idee. Aber ist es denn heute verboten, dass Männer dort arbeiten? Doch wohl kaum! Warum tun es die Männer dann nur in sehr geringer Zahl? Liegt es nicht vielleicht doch am geringen Gehalt und ebenso geringen Ansehen dieser Berufe? Daran, dass die Arbeit mit kleinen Kindern noch immer als „Frauensache“ angesehen wird? Und ist das die Schuld der Frauen, dass diese außerordentlich wichtigen Berufe ein geringes Ansehen haben? Wenn Sie gegen eine Frauenquote sind (wie im Spiegel-Interview erwähnt), müssten Sie logischerweise auch gegen eine Männerquote sein. Das passt aber mit Ihren speziellen „Förderwünschen“ für Jungs und Männer so ganz und gar nicht überein. Und so etwas:

„(…) Auch die pädagogischen Inhalte müssten sich ändern. „Mal überspitzt ausgedrückt: Schreiben wir genug Diktate mit Fußballgeschichten? Dafür interessieren sich auch die Jungs. Oder geht es immer nur um Schmetterlinge und Ponys?“
(Quelle: Spiegel online)

ist doch eher der Kategorie „undurchdachte unsinnige Äußerung“ zuzuordnen. Es ist für Rechtschreibung und Grammatik vollständig egal, ob über Abseits und Mittelstürmer oder über Hengstparaden und Zaumzeug geschrieben wird: Richtig Schreiben lernen sollten alle Kinder und das sogar themenunabhängig. Es kann nicht angehen, dass Kinder nur die Dinge lernen, die sie „von Haus aus“ interessieren. In der Schule (und auch später im Leben) müssen sie vieles lernen, das sie vielleicht nicht besonders interessiert.

Aber schauen Sie, Frau Schröder, sich einmal die Lehrpläne an, dann werden Sie feststellen, dass dort tatsächlich gerade in der Grundschule viele Geschichten aus dem täglichen Umfeld der Kinder Thema sind – und dazu gehören Sportgeschichten ebenso wie Naturgeschichten. Und warum sollten sich Jungs nicht für Metamorphose interessieren? Oder wie meinten Sie das mit den Schmetterlingen?

Natürlich gibt es nun – wie stets – die allseits bekannten pseudo-linken „Alphablogger“, die Ihnen zujubeln und sich freuen, dass mit der „radikalfeministischen Ikone Alice Schwarzer“ abgerechnet wird. Nur gibt es tatsächlich für Feminist_innen keine derartige „Ikone“. Es gibt nicht einmal „den“ Feminismus. Wahrscheinlich gibt es so viele Feminismen, wie es unterschiedliche Feminist_innen gibt. Alice Schwarzer ist eine davon. Eine bekannte, sicher. Aber nicht wichtiger oder besser oder vorbildhafter als andere. Allerdings haben diese „Herren“ wohl auch nicht genauer nachgedacht, wenn überhaupt. Auf jeden Fall haben Sie sich nicht mit der Geschichte der Frauenbewegung und ihren vielfältigen Zielen beschäftigt. Sonst wüssten Sie z.B., dass die Frauenbewegung auch für die Emanzipation der Männer eintritt. Für die Befreiung der Männer aus ihren Rollenkorsetts. Allerdings sind manche Männer auf diesem Auge blind (vielleicht weil ihre Korsetts ihnen so gut passen). Traurig. Für sie.

Traurig auch für die politische Linke. Traurig zu sehen, dass sich selbst als links bezeichnende Herren konservativere Ansichten hegen, als sog. Konservative. Noch trauriger, dass sie damit auf einer Linie mit der Neuen (und alten) Rechten liegen.

Frauen – mit diesen Herren ist kein Staat zu machen. Und mit Ihnen, Frau Ministerin Schröder, offenbar ebenso wenig. Zumindest von Ihnen, Frau Schröder, habe ich aber nichts anderes erwartet …