piratenweib-rahmenAngela Merkel hielt anlässlich ihrer Wiederwahl als Parteivorsitzende der CDU gestern eine für ihre Verhältnisse flammende Rede, in der sie wörtlich sagte:

Es ist doch nicht so, dass wir ein Zuviel an Islam haben, sondern wir haben ein Zuwenig an Christentum.

Brauchen wir mehr Christentum? Ist das Christentum ein Wert an sich, der hochzuhalten wäre? Wie sieht das mit den unzähligen Verbrechen aus, die im Namen des Christentums in der älteren und jüngeren Geschichte und auch heute noch begangen wurden und werden? Ist es wünschenswert, mehr von einer derartig aggressiven Religion zu haben? Inwieweit ist das Christentum „besser„, menschenfreundlicher, gütiger oder auch nur hilfreicher als jegliche andere Religion? Als der Islam? (Der ja im Redetext in direktem Zusammenhang benannt wurde.)

Ich gebe zu: ich habe ein ganz entscheidendes Problem mit Religionen überhaupt – nicht aber mit Glauben und Glaubenden. Als Atheistin sind mir Religionen mehr als supekt. Ich sehe in der Geschichte so vieles, was gegen Religionen spricht. Ich bin Befürworterin eines „Weniger an Religionen“ (bzw. keine Religionen) – was nicht bedeuten muss, weniger „Glauben“ zu haben. Wer an einen Gott oder eine Göttin oder an das Flying Spaghetti Monster oder sonst irgendwas glauben will, der soll es unbenommen sein.

Wahrscheinlich würde ein Rückgang der Bedeutung von Religionen und Kirchen aller Art sogar zu einer Zunahme echten Glaubens führen, auf jeden Fall aber zu einer Zunahme von Freiheit. Die Deutungshoheit der Kirchen (egal welcher Religion) führt dazu, dass Gläubige ihre ursprünglich heiligen Texte (Bibel, Koran, Palikanon etc.) nicht mehr selbst lesen und schon gar nicht selbst darüber nachdenken oder interpretieren. Sinnentleertes Nachplappern von vorgegebenen Regeln führt aber sicher nicht zu einer besseren Welt, sondern lediglich zu besser führbaren Menschen. Die Deutungshoheit gibt den Kirchen (die früher noch stärker mit dem Staat verflochten waren als heute) auch die Möglichkeit, die Menschen in gewünschter Richtung zu beeinflussen. Gehorsamkeit als christlicher Wert. Ich lehne das ab.

Ich kenne Menschen, die sich einer christlichen Religion zugehörig fühlen, ihre angeblich heilige Schrift noch nie gelesen haben und recht unchristliche Ansichten z.B. gegenüber sog. „Fremden“, Ausländer_innen und Asylant_innen hegen. Dafür sind sie aber herdentreu und plappern ihres Papstes oder ihrer obersten Geistlichen Worte nach, ohne ihre Bedeutung jemals überdacht zu haben. Ist das das Christentum, von dem wir mehr brauchen?

Meiner Meinung nach brauchen wir mehr Menschlichkeit, mehr Miteinander, mehr Füreinander, mehr Gerechtigkeit, mehr Ausgleich, mehr Gleichstellung, mehr Freundlichkeit. Wir brauchen mehr von vielen Dingen, nicht aber von Religion.

Weniger Religion wäre für uns alle gut. Mehr selbst denken, weniger fremdbestimmt werden.

Wir brauchen dieses Opium nicht, denn wir sind freie Menschen.