dreiminuten02-rahmen1Seit dem Jahreswechsel kann man den Musiksender MTV nicht mehr frei empfangen. Wohin mit dem Musikvideo? Das hat im Netz schon ein neuen Platz gefunden – und eine neue Existenzform.

Angefangen hatte alles mit „Video Killed The Radio Star“, aufhören sollte es am Silvesterabend mit „Viva Forever“ von den Spice Girls. Nur ein bisschen Selbstironie oder auch ein Verweis auf den jetzt nicht mehr im Schatten stehenden Schwestersender? MTV wird 2011 Premium und ist als Paket mit mehreren Musikspartensendern käuflich zu erwerben. Dafür gibt es mehr Musik, mehr Serien und vor allem weniger Werbung. Der andere Kanal des Viacom-Unternehmens – Viva – wird weiterhin kostenlos auf Sendung bleiben und geht mit neuem Image und neuem Logo ins neue Jahr.

Als MTV 1981 sein erstes Video sendete war die Welt für die Musikindustrie noch in Ordnung: LPs, CDs und Singles wurden in Plattenläden verkauft und nicht wahllos geladen. Für die Breitenwirkung ihrer Künstlern produzieren Plattenfirmen lange, teuere Filme mit Zombies und Supermodels in Badewannen. MTV wird innerhalb kürzester Zeit von der Musikwerbefilmabspielstation zur einer Jugendkultur – mit eigener Sprache, eigenen visuellen Codes. Musikfernsehen war wie Radio mit Bild – the Smell of Teen Spirit und für mich als Teenager vom Dorf die Bestätigung, dass es (in den anderen größeren Städten) so eine bunte Welt geben muss.

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Musikvideokurzfilmhybrid von Spike Jonze zu dem Arcade Fire Song „The Suburbs“ (2010)

Dann kam YouTube und schuf den Platz für ein kollektives visuelles Gedächtnis, inklusive aller jemals gedrehten Musikvideos. Was man sehen wollte, war also immer verfügbar – wozu noch vor dem Fernseher warten? Irgendwann gab es auch im Musikfernsehen immer weniger Musik zu sehen. Im Netz hatte das Musikvideo den nötigen Freiraum, um sich zu entwickeln – nicht höher, schneller, weiter. Im der digitalen Nische einer Musikrichtung und/oder Szene gediehen Musikvideos, die nicht mehr nur Werbeträger waren oder sein wollten: das Musikvideo als Form des Kurzfilm erlebte eine Renaissance. Das Musikvideo wurde selbst zum Produkt. Produkte, auf dessen individuell abgestimmten Konsum sich mittlerweile verschiedenen Online-Musikfernsehsender spezialisiert haben.

Das Konzept MTV als Pay-TV-Kanal anzubieten funktioniert bereits in anderen Ländern, in denen die Zuschauer bereit sind für mehr Musik auch mehr zu zahlen. Schwierig ist heute nicht das Suchen und Finden, sondern das Auswählen aus einer unüberschaubaren Masse an Musik. Spannend zu sehen, ob das neue Musikfernsehen das Bedürfnis nach Übersicht – auf verschiedenen medialen Kanälen – erfüllen kann.