gabyberlinale-rahmen„Living is just a beginning and now the beginning is over“ sagt am Ende des Films „The Future“ von Miranda July die Expertin des Weltschmerzes, die Katze PawPaw. (An Julys 37ten Geburtstag, dem 15. Februar, feierte der Film auf der Berlinale seine Europapremiere.) „Pfötchen“ aber hat im Tierheim darauf gewartet, dass das wuschelköpfige Slacker-Pärchen Jason und Sophie sie endlich abholen. Buhu! Die unzufriedene Tanzlehrerin für Kinder, gespielt von der vielseitigen Künstlerin Miranda July selbst – die zudem noch für Skript und Regie verantwortlich war – und ihr Freund Jason (Hamish Linklater), der für eine IT-Support-Hotline schuftet, wollten die verletzte Katze, die sie aufgelesen haben, eigentlich adoptieren. Doch dann fiel ihnen plötzlich siedendheiß ein, dass sie bald 40 werden – und Sophie sagt entsetzt „40, das ist fast wie 50 und nach 50 kommt nur noch Kleingeld“. Deshalb wollen sie in der Zwischenzeit, dem Monat in dem sie auf die frisch geimpfte Katze warten müssen, noch einmal in ihr junges Leben hineinhorchen, ein freies Leben ohne Verantwortung genießen. Sophie möchte gerne einen Tanz auf Youtube veröffentlichen (30 dances in 30 days) und Jason, das eigentliche Alter Ego der Regisseurin, möchte sich treiben lassen, in sich hineinhorchen. Schließlich beginnt er das Weltklima mit Hilfe der Aktion „Tree by Tree“ deren alleiniger ehreamtlicher Außendienstmitarbeiter er ist, zu retten.51454305 Dann gerät jedoch irgendwie alles aus dem Ruder: Ein sehnsuchtsvoller Schrei aus dem Fenster, Sophies ein bisschen wie in einem Horrorfilm herumrobbendes Schnuffeltuch-T-Shirt, Jason, der probiert die Zeit anzuhalten und Sophie, die das Vorortleben in L.A. mit Kind und Mann testet – kurz ein Paar, zwei fantasiebegabte Seelengefährten, die offline gehen. „The future“ ist dem Himmel oder dem Gegenteil davon sei Dank kein normaler Film über ein ödes Pärchen in der Krise, wie zum Beispiel der schreckliche argentinische Wettbewerbsbeitrag „Un Mundo Mysterioso“ aus dem ich vorhin schreiend hinausgerannt bin, sondern eher eine künstlerische Performance über Liebe, Zeit, Raum und nicht zuletzt den Tod.
51454293Die Bilder von Kameramann Nikolai von Graevenitz sind wie von einem anderen Planeten und die July-typischen Dialoge natürlich reine Poesie. Wer nicht genug von ihrer einzigartigen Kunst bekommen kann, die stets einen unglaublich hohen Wiedererkennungswert hat – egal ob man ihre Kurzgeschichten „Zehn Wahrheiten“ liest oder sich die Arbeiten anschaut, die sie auf diversen Biennalen päsentiert – nun dem sei noch dringend
Miranda Julys Internetseite angeraten. Auch ein Blick auf ihr zwar schon abgelaufenes Internetpojekt: „Learning to love you more“ lohnt sich noch. Tip Nr. 1 ihrer liebevollen Kunstaktion war zum Beispiel: Fertige ein Kinder-Outfit in Erwachsenengröße an. Schön auch: Schreib’ eine Presserklärung über ein alltägliches Ereignis. Oder: Komponiere den traurigsten Song aller Zeiten. Wer jetzt? Na Du!
Auch ihr wunderbar-trauriger Kurzfilm auf Youtube lohnt mehr als einen flüchtigen Blick: „Are You The Favourite Person Of Anybody?“

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„The Future“ hat – obwohl er im leicht versponnen-verschrobenen Milieu verantwortungsloser Thirtysomethings spielt, was ihm sicherlich einige ankreiden werden – bild-41etwas mit dir und mir und allen die wir kennen zu tun (so ähnlich lautete übrigens der Filmtitel von Julys erstem Kinofilm – You, Me and Everyone We Know) – denn schließlich geht es um nicht weniger als die ganz großen Themen: Liebe, Sehnsucht, Verantwortung, Hingabe, Haltlosigkeit, die erschreckenden Wahlmöglichkeiten, die das Leben so bietet, die Frage nach den richtigen Entscheidungen und dem Sinn unseres Lebens und unsere (vermeintliche) Endlichkeit. Um nur einige zu nennen.
Und nach dem Schauen des Films, beginnt die Zukunft, wie auch das give-away, welches man nach Verlassen des Kinos wohl manchmal erhält,  ja wohl zweideutig beweist. Dann werde ich jetzt wohl mal mit Mirandas Tip Nr. 50 aus ihrem ausgelaufenen Internetprojekt beginnen: Mach’ ein Blitzlichtfoto unter Deinem Bett.