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Um gleich eine Sache klarzustellen: Sich bei Schularbeiten neben Clarissa zu setzen, hätte nichts gebracht. Auch von ihr die Mathehausaufgaben abzuschreiben, wäre wahrscheinlich wenig erfolgsversprechend. Denn Clarissa Darling ist keine Streberin im klassischen Sinne, aber sie ist ambitioniert. Hochambitioniert und hochkreativ in allen Dingen, die den quirligen Teenager-Querkopf selbst betreffen. Zum Beispiel den nervigen kleinen Bruder aus dem Weg räumen (man probiere es mal mit Helium-Ballons). Oder ihre Eltern davon überzeugen, dass eine 14-Jährige schon Autofahren kann, ja muss. Besonders zielstrebig zeigt Clarissa, wenn es um ihre eigene Karriereplanung geht, die sie schon feinsäuberlich ausgearbeitet hat: Gehirn-Chirurgin werden (Plan B: Nasenkorrekturen vornehmen), als erste weibliche Rapperin im All performen, eine eigene Tankstelle besitzen oder eine berühmte Journalistin werden, so wie ihr Idol die NBC-Reporterin Jane Pauley, eine der ersten weiblichen Nachrichtenmoderatorinnen im US-Fernsehen.
Wie sehr Clarissa für letzteren Berufswunsch geeignet ist, beweist sie gleich in eine der ersten Folgen. In „Clarissas News Network“ ruft sie ihren eigenen Nachrichtensender ins Leben und stellt mit ihrer Nachrichtendefinition gleich einmal klar, um was es ihr und der ganzen Serie geht, nämlich darum, die Welt aus Clarissas Augen zu erzählen. Eine TV-Show aus Sicht eines Mädchens – kaum zu glauben, aber als die Sendung Anfang der 90er an den Start geht, ist das durchaus ein Novum im amerikanischen Kinderprogramm. Dank Clarissa wird die bisherige Jungensspielwiese Nickelodeon endlich von einer selbstbewusste Teenager-Göre gestürmt, die sich auch gleich mal munter über alle Regeln hinwegsetzt, selbst über die damals gängigen Serien-Konventionen. Die Hauptprotagonistin spricht direkt in die Kamera, zitiert ihren persönlichen Helden-Kanon von Shakespeare bis Sting und kritzelt dabei ihre Gedanken auf den Fernsehbildschirm. Wobei sie auch vor dem im Teenie-TV so verteufelten Wörtchen Sex nicht halt macht.
Mit betont mädchenhaften Getue hat es unsere aktuelle Lieblingsstreberin eben nicht. Ja, Clarissas Zimmerwände sind rosa, daran hängen aber die Chromfelgen ihrer Lieblingsautos. Ja, sie macht sich Gedanken über ihr Outfit, aber vor allem darüber, wie sie damit das Klassenbild sabotieren kann, und ja, sie hat auch ein Puppenhaus, darin steht aber ihr Computer (ein Amiga!). Der ist zudem ihre heimliche Schaltzentrale im Kinderzimmer, denn für jedes Problem programmiert sie ein kleines Computerspiel mit dem Lösungsweg.
Jungs gibt es übrigens auch Clarissas Leben. Aber wenn diese ihr zu dumm kommen, weiß sie sich ganz lady-unlike zu wehren; und die Beziehung zu ihrem besten Freund Sam kommt erfrischenderweise ohne romantische Konnotationen aus (obwohl dieser sie bevorzugt übers Fenster besuchen kommt). Kein Wunder eigentlich, dass unsere Serienheldin mit ihrer unkonventionellen Art auch wissenschaftliche Interesse geweckt hat. Sarah Banet-Weiser bezeichnet sie in ihrem Aufsatz über Gender-Repräsentation im Kinderprogramm gar als eine Ikone des Third Wave Feminismus und die ganze Serie als Durchbruch für die Girl Power-Bewegung. Wenn also schon nicht bei den Schulaufgaben, in Sachen Feminismus kann man getrost von Clarissa abschreiben.

Zum Weiterschauen: „Clarissa Explains it All“ mit Melissa Joan Hart lief von 1991 bis 1994 für fünf Staffeln auf dem amerikanischen Kinderkanal Nickelodeon und wurde danach öfters wiederholt, u.a. auch auf Nick Deutschland. Die erste Staffel ist auf DVD erhältlich.

Text: Felicia Reinstädt

Illustration: Elisabeth Moch

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Missy 01/11 erschienen. Jetzt in allen gut sortierten Bahnhofs-Buchhandlungen und Zeitschriftenläden oder gleich hier im Abo.