Team Alltag: Gang zum Amt
Von
Zum Alltag gehört zum Beispiel auch mal der Gang auf ein Amt. Sind Ämter so verstaubt wie ihr Ruf? Ist die Genderfrage dort eventuell auch schon angekommen? Hätte ich nicht die folgende Erfahrung machen müssen, wer weiss, ob ich das je überlegt hätte.
Aus einer früheren Geschäftstätigkeit besass ich zusammen mit einem Partner ein Stück Land. Nachdem wir nach einjähriger Überlegungsphase entschieden hatten, das Projekt so nicht zu realisieren, entschlossen wir uns, das Land wieder zu verkaufen. Der Verkauf fand in zwei Teilen statt, ein Teilstück Ende Februar, der Rest am letzten Freitag. Besagtes Amt liegt in ländlicher Umgebung. Der Notar kennt jeden und jede, was so weit geht, dass er auch hinter dem Rücken der Verkaufenden Abmachungen trifft mit Banken und KäuferInnen, ohne dies den Verkaufenden auch nur mitzuteilen. Diesen Ärger bezog ich zu dem Zeitpunkt nicht auf mein Geschlecht. Allerdings bekam ich von der Bank als gleichberechtigte Geschäfts-Partnerin und offensichtliche Managerin des Verkaufs keine Post, während mein Partner diese sehr wohl erhielt. Dies könnte ja auch der Fehler der Bank gewesen sein und nichts mit dem Notar zu tun haben. Nur entschuldigt das die Bank auch nicht. Zugegeben, eine Kantonal-Bank. Sind die auch so verstaubt??
Dass ich beim ersten Gang auf’s Notariat erklären musste, dass ich trotz weiblichen Geschlechts – bei gleichzeitig vorhandenem männlichen Partner – die Organisation und die Finanzen des Verkaufs managte, mag ja noch angehen. Obwohl auch dies im Jahr 2011 keine Sensation mehr sein sollte. Aber dass der Herr vom Amt beim zweiten Verkaufstermin die Papiere mit der Frage „Wer ist zuständig für die Finanzen?“ demonstrativ WIEDER meinem Partner hinstreckte, hat mich sprachlos zurück gelassen. Es ist nicht so, dass er an Altersdemenz leiden würde. Wie erwähnt, weiss er minutiös Bescheid über die ganze Umgebung des dörflichen Geschehens in der Gegend. Im Vorfeld hatte ich wiederum telefonischen Kontakt. Es war absolut KLAR, wer die Finanzen unter sich hatte.
Mit richtigem Widerwille wurden mit die Unterlagen letztlich gereicht. Von nun an wurde ich für den Rest der Vertragslesung und Unterzeichnung nur noch als „Master of the Finances“ bezeichnet. Ist diese Bezeichnung geschlechtsneutral? Machte dies die Situation für ihn erträglicher?
Sein Leiden werde ich nie begreifen. Dass in einem ländlich gelegenen Amt eine weibliche Verkaufsperson noch immer als offensichtliche Exotin angesehen wird, verstehe ich definitiv nicht.
Hingegen habe ich begriffen, dass die Genderfrage in dieser Gegend noch nicht angekommen ist oder aktiv verdrängt wird. Mein Erstaunen über diese umfassende und masslose Rückständigkeit ist wirklich tief. Es bleibt anscheinend noch viel zu tun! Meine Hoffnung, dass eine jüngere Generation mit urbaner Erfahrung Fortschritt bringen wird ist mein einziger Trost. Es muss wahr werden! Packen wir’s an! Tena koe!