Electric Ladyland: iPhone antik
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Was ist das: Es ist so groß wie eine Zigarrenkiste, sieht aus wie angeschimmelte Pappe und ist wertvoller als die Mona Lisa? Antwort: der 2.000 Jahre alte Computer
von Antikythera. Aufgetaucht ist der Rechner im Jahr 1900. Damals fanden Taucher vor der griechischen Insel Antikythera ein antikes Wrack. Unter den Schätzen befand sich auch eine verrostete Kiste, die in vier Teile zerbrach und 30 Zahnräder enthüllte. Nur war das unmöglich: Es gab keine Funde von Zahnrädern aus dieser Zeit. Tatsächlich gibt bis heute kein vergleichbaren Funde in der gesamten antiken Welt. „Der Antikythera-Mechanismus stellt unsere gesamte Wissenschaftsgeschichte auf den Kopf,“ bemerkt die Journalistin Jo Marchant, die mit ihrem Buch „Die Entschlüsselung des Himmels“ die Maschine jetzt als erste einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Unmöglich, weil wir bisher davon ausgingen, dass erst die Erfindung der Uhrwerke in Westeuropa die industrielle Revolution ermöglichte. Wie kann dann eine Maschine mit Uhrwerk im Nationalmuseum in Athen stehen, die bereits vor unserer Zeitrechnung gebaut wurde? Per Definition ist ein Computer ein programmierbares Gerät, das Berechnungen anstellt und diese an einer Schnittstelle ausgibt. Genau das tat der 2.000 Jahre alte Rechner. Er ist so etwas wie eine antike Version des iPhones: Eine ganze Reihe Funktionen in einem Gadget.
Wer die Kurbel an der Seite drehte, konnte an verschiedenen Skalen ablesen, wo sich die Gestirne zu welchem Zeitpunkt am Himmel befanden, den Himmel der Vergangenheit bereisen und die Zukunft vorhersagen,“ beschreibt Jo Marchant. Noch bemerkenswerter ist die Skala, die anzeigte, welche griechischen Spiele gerade stattfanden. Wohl ein fruher Vorläufer von iCal.
Text: Mithu Sanyal
Jo Marchant „Die Entschlüsselung des Himmels: ein 2000 Jahre altes Rätsel wird gelöst, Rowohlt, 22,95 Euro.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Missy 01/11 erschienen. Jetzt in allen gut sortierten Bahnhofs-Buchhandlungen und Zeitschriftenläden oder gleich hier im Abo.