missybeimutternDominique Haensell spricht mit ihrer Tante Laurine, Tochter dominicanischer EinwandererInnen in London, über Rassismus, Riots und die große Hoffnung auf die emanzipatorische Kraft der Jugendkultur in der englischen Heimat..

Ich bin 1964 als Kind dominicanischer EinwandererInnen in London geboren. Für unsere Generation war es schon etwas leichter als für unsere Eltern, für die es fast unmöglich war, eine Wohnung zu mieten – „No Irish, no Blacks, no dogs“ hieß es damals oft –, und die Jobs übernehmen mussten, die kein Weißer erledigen wollte. Wir waren hier geboren, gingen hier zur Schule, sprachen „ungebrochenes“ Englisch und hatten damit bessere Möglichkeiten, bestehende Verhältnisse infrage zu stellen.

Die Atmosphäre in meiner Jugend, Anfang der 1980er, war nichtsdestotrotz äußerst angespannt. Es gab dieses Gesetz, „stop and search law“ genannt. Das gab der Polizei das Recht, jeden Menschen auf Verdacht zu verhaften und festzuhalten. Es wurde überproportional oft auf junge, schwarze Männer angewandt. Ich wuchs mit dieser Angst auf: Jeder Mann, den du kennst, kann jederzeit verschwinden. Und manche kamen nie wieder. Es gab damals immer noch einige Todesfälle in Gewahrsam. Ich erinnere mich auch an einen anderen schrecklichen Vorfall: Ein Mädchen feierte ihren 16. Geburtstag und ihr Haus wurde in Brand gesteckt. Dabei sind 13 schwarze Jugendliche verbrannt und das Ereignis wurde nie richtig untersucht! Die Queen bekundete nicht einmal öffentlich ihre Anteilnahme, wie es sonst üblich ist.

Irgendwann hatten die Leute genug, vor allem die Jugendlichen waren wütend, viele reagierten aggressiv. Ich hatte gerade meinen College-Abschluss gemacht und nach vielen Bewerbungen einen Job in der Bezirksverwaltung ergattert. Aber die
Arbeitslosigkeit war unheimlich hoch. Die ganze Wut entlud sich in einer Welle von Riots, in allen großen Städten, immer wieder, bis Mitte der 1980er. So bin ich aufgewachsen. Wir versuchten, in dem Land, in dem wir geboren sind, sozial, politisch und kulturell Fuß zu fassen. Die englische Kultur fußt ganz stark auf den starren Regeln des Establishment. Man muss es an der Wurzel packen und durchschütteln, damit es überhaupt zuhört. Die nächste Generation, du oder deine Cousine, erlebt das natürlich ganz anders. Es hat sich vieles verändert, es gibt neue Gesetze, mehr Verständnis und interkulturelle Erfahrung. Am deutlichsten wird das für mich in der Jugendkultur, die für jeden offen ist, unabhängig vom ethnischen Hintergrund. Es gibt Gleichbehandlung und Fortschritt, allerdings oft nur bis zu einem gewissen Punkt. Im höheren Management hört es damit ganz schnell auf.

Foto: No Irish, No Blacks,…: Reproduced by permission of London Borough of Lambeth, Archives Department

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Missy 01/11 erschienen. Jetzt in allen gut sortierten Bahnhofs-Buchhandlungen und Zeitschriftenläden oder gleich hier im Abo.