Team Film. Musik. Tanz. Körper: Vom Paarungsverhalten tanzwütiger Party Animals
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Wer kennt es nicht: Das traditionelle Balzverhalten auf dem Dancefloor. Blicke werden ausgetauscht, die Körper bewegen sich im Rhythmus. ER zwinkert cool, imitiert gekonnt einen dance move, den er sich bei Taio Cruz abgeschaut hat, versucht seine Muskeln anzuspannen und grinst sie gleichzeitig selbstverliebt an, wobei seine Handbewegung ihr zu verstehen gibt, sie solle zu ihm rüber kommen. SIE wirft ihm einen heissen Blick über ihre nackte Schulter zurück, während sie sich lasziv eine Haarsträhne (Extension) aus dem Gesicht streift und gleichzeitig mit allen Argumenten wackelt, die ihr hautenges Glitzerkleid zu bieten hat.
Solche oder so ähnliche Paarungsversuche spielen sich scharenweise auf den Tanzwiesen angesagter (R&B-, HipHop- etc.) Clubs oder den dazu passenden Video Clips ab. Entweder waren wir selbst schon mal ein Teil davon oder wurden wenigstens ZeugInnen eines solchen Aktes. Ist ja schliesslich ganz normal … „Normal“?
Wie kommt es eigentlich, dass die Tanzpositionen von Jungs und Mädels oftmals so unterschiedlich sind? Wieso gibt es beim Tanzen diese Rollenverteilung in sexy ladies und bad guys überhaupt? Stehen wir wirklich darauf oder machen wir nur mit, weil es eben alle tun? Halte ich tatsächlich gern meinen Hintern hin, während irgendein Kerl versucht anzudocken? Möchte ich ohne Zweifel dieses geschminkte und gepushte Chick abschleppen und ihr vorher am besten noch 10 ihrer Drinks spendieren? Das Wort „normal“ beinhaltet eigentlich schon die Antwort auf alle Fragen. Es handelt sich bei diesen Situationen um Widerspiegelungen von Normen, die sich über lange Zeit hinweg tief in unseren Köpfen verankert haben. Solche Situationen, in denen sich Geschlechterdifferenzen und deren Aufrechterhaltung im Alltag wieder finden lassen, sind vielfältig. Aber besonders im Tanz, der schliesslich auch eine Art Körpersprache ist, werden diese Verhaltensmuster ersichtlich.
Dass es auch anders geht, wird meist nicht bedacht. Warum auch? Es hat sich immerhin über die Jahre bewährt – könnte man jedenfalls auf den ersten Blick meinen. Leider werden durch krasse Differenzierungen wie die der Geschlechterrollen beim Tanzen und den damit verbundenen Ordnungen viele Menschen diskriminiert. Erstens wird dabei die Frau schnell zum Objekt gemacht, welches vom Mann erobert und damit klar ein Opfer von Sexismus wird. Zweitens hat der Mann nicht nur den Vorteil des Subjektstatus, sondern leidet gleichzeitig unter besonders hohem Druck: Schliesslich muss er sich neben vielen anderen Nebenbuhlern behaupten können. Drittens ist bei diesen Parties wenig Platz für queere Menschen aller Art, denn sie passen nicht in das zweigeteilte Schema, bleiben also Aussenseiter oder sind gezwungen, sich für eine der Kategorien zu entscheiden.
Ich möchte hierbei niemanden kritisieren oder schuldig sprechen. Wir alle sind an solchen Normierungsprozessen beteiligt und reproduzieren gewisse Verhaltensmuster (unbewusst) Tag für Tag. Was ich versuche, ist lediglich darauf aufmerksam zu machen und dadurch eine gewisse Sensibilität für dieses Thema herauszukitzeln um zum Nachdenken und vermehrtem Hinterfragen anzuregen.
Ausserdem möchte ich darauf hinweisen, dass es auch genügend andere Tanzstile gibt, die beweisen, dass es auch anders geht. Zum Beispiel gibt es bei diversen elektronischen Musikgenres/Veranstaltungen keine klare Geschlechterdifferenzierung durch den Tanzstil: bei Drum & Bass (z.B.) bewegen sich alle Geschlechter in der Regel gleich. Oder auch völlig unterschiedlich, aber jedenfalls nicht oppositionell. Die sexuelle Begegnung im Tanz steht hier nicht im Mittelpunkt. Ziel ist stattdessen vielmehr das gemeinsame „Abgehen“. Weitere Beispiele sind Rock, Techno, Goa etc.
Mein Vorschlag: Achtet doch das nächste Mal, wenn ihr in einen Club geht, genau darauf, welche Rollenverteilung ihr erkennen könnt. Das kann ziemlich spannend und amüsant sein! Reflektiert dann zum eigenen und anderen Wohl euer (Paarungs-)Verhalten nochmals und seid euch eurer Rolle bewusst, ganz egal in welcher ihr euch schlussendlich am wohlsten fühlt.
Melissa