Team Film. Musik. Tanz. Körper: Sexuelle Revolution auf dem Tanzparkett
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Der Film stammt aus dem Jahr 1987, spielt im Jahr 1963 und wurde 1997 auf Bitten vieler Fans wieder re-released – komplizierte Sache also. Doch was macht diesen Film, vor allem bei Frauen, so beliebt?
Die Story von Dirty Dancing ist wohl jedem bekannt: die 17-jährige Mini-Revoluzzerin Frances, die von allen äußerst liebevoll „Baby“ genannt wird, geht über den Sommer zusammen mit ihrer Familie in ein Feriencamp, in dem sie sich in Tanzlehrer und Frauenschwarm Johnny Castle verliebt. Der wird aufgrund ihrer Liaison jedoch gefeuert, düst zum melancholischen „Shes like the wind“ ab und lässt Baby alleine zurück. Am Ende kehrt er jedoch bei der großen Abschiedsshow wieder zurück, beide haben ihre fünf Minuten auf der Bühne, alle sind begeistert und sogar der erzkonservative Vater ändert seine Meinung – Happy End.
Frances‘ Charakter (ich weigere mich ab hier, sie „Baby“ zu nennen) bietet aufgrund ihrer verschiedenen Facetten viele Identifikationspunkte für die ZuschauerInnen. Sie hat große Pläne, möchte dem Friedenscorps beitreten und Entwicklungshilfe leisten. Sie eckt aufgrund ihrer andersartigen Meinung mehr als einmal an, provoziert jedoch gerne und bietet den anderen die Stirn. Es scheint, als ob sie in ihren Vorhaben vor allem von ihren Eltern nicht ernst genommen wird. Der erste, der ihre Qualitäten zu erkennen scheint, ist Tanzlehrer Johnny Castle.
Zu Beginn des Films vertritt Frances noch die Meinung, dass Papa der Beste ist (Freud lässt grüßen). Dank Johnny und seinem als dirty dancing bekanntgewordenen Hüftschwung wird sich Frances jedoch auch in ihrer sexuellen Freiheit weiterentwickeln und von Papi abwenden, was diesem nicht gefällt. Vor allem in den Tanzszenen lässt sich Frances sexuelle Entwicklung ablesen.
Frances erstes Mal findet während einer Party der dirty dancers statt: sie trägt (mit Stolz!) eine Wassermelone in die Belegschaftsunterkunft hinauf und trifft dort auf Johnny, der sie, nach einem Tänzchen mit Ex-Partnerin Penny, zu einem dirty dancing auffordert. Anfangs etwas zögerlich, stimmt sie zu und präsentiert ihm ihren unbeholfenen Hüftschwung. Johnny – ganz Gentleman – nimmt die unerfahrene Frances an die Hand und zeigt ihr, wie es richtig geht, verlässt sie jedoch, nachdem die Musik abgeklungen ist, sofort wieder. War es für ihn nur ein tänzerischer One-Night-Stand?
Frances lässt jedoch nicht locker und springt, nach anfänglichem Zögern, für Johnnys Mambo-Partnerin Penny ein. Johnny ist von der Idee zuerst gar nicht begeistert: „She can’t even do the Merengue. She can’t do it. She can not do it!“, der Gegenschuss auf Frances Gesicht nach dieser Aussage zeigt ihr Selbstbewusstsein, ihren Willen und Stolz; statt einer verteidigenden oder rechtfertigenden Antwort ihrerseits folgt der filmische Beweis: ein harter Schnitt führt zur nächsten Sequenz, in der man beide bereits Tanzschritte einüben sieht.
Antwort genug? Während dieser Übungsphase macht Frances ihre größten Entwicklungsschritte, von einem ehrgeizigen Mädchen mit Ambitionen entwickelt sie sich hin zu einer sexuell selbstbewussten, entscheidungsfreudigen, jungen Frau. Während dieser Phase ändert sich nicht nur ihre Kleiderwahl (von zugeknöpft und Jeans bis hin zu Höschen, BH und Strumpfhose), sie beginnt sich zu schminken und tanzt ausgelassen.
Durch das Tanztraining wird sie immer selbstbewusster, aber auch selbstständiger, denn sie wendet sich mehr und mehr von ihrer Familie ab, öffnet sich im Gegenzug jedoch ihrem Tanzpartner Johnny, der sich durch diesen Ehrgeiz und ihr Selbstbewusstsein erst in sie verliebt – laut ihm mangelt es ihm nämlich nicht an schönen Frauen.
Nun folgt ihr gemeinsamer Mambo-Act im Sheldrake Hotel. Frances scheint beim zweiten Mal etwas nervös und vergeigt den Höhepunkt der Show – die Hebefigur. Ein Spannungsmoment der gesamten Szene ist das Erscheinen eines älteren Ehepärchens, den Schuhmachers, die ebenfalls im Feriencamp wohnen und das Sheldrake Hotel besuchen, um dort Geldbörsen zu stehlen und dadurch ihre Rente aufzubessern – verständlich. Frances und Johnny besprechen die Störung ihrer Nummer durch die Schuhmachers etwas später im Auto. Beiden scheint es jedoch nicht allzu viel ausgemacht zu haben, fast erwischt worden zu sein, sondern den entstandenen thrill richtig genossen zu haben.
Der anschließende Tanz zwischen Frances und Johnny findet in Johnnys Behausung statt, nachdem Frances Penny nach einer verpfuschten Abtreibung das Leben rettet. Nachdem Frances Johnny ihre Gefühle gesteht, geht von ihr die Initiative des Tanzes aus „Dance with me“. Es folgt ihr erster dirty dance und gleichzeitiges Vorspiel für ihr erstes Mal. Nicht umsonst wird das dirty dancing als das intimste Verhältnis zwischen zwei Personen außerhalb des Schlafzimmers bezeichnet. In dieser Szene verschwimmen die Grenzen nun völlig: Tanzen geht in Sex über und Sex in Tanzen.
Die letzte Nummer der beiden findet auf der Bühne während der Abschlussshow des Feriencamps statt. Nachdem Johnny Frances verlassen hat und sie im Feriencamp zurücklässt, verfällt diese wieder ein wenig in ihr altes Muster und erst Johnny kann sie aus ihrem Zustand befreien, indem er entschlossen ihrem Vater entgegnet „Nobody puts Baby in the corner“. Daran habe ich mich gestört. Warum lässt sich Frances denn wieder in die Ecke drängen? Johnny zieht sie daraufhin auf die Bühne und beide zelebrieren dort ihre gemeinsame Beziehung mit einer Mischung aus Standard und dirty dance. Als Johnny seine Tanzmannschaft zu einem Gruppenshowdown aufruft, reicht ein Kopfnicken in Richtung Frances und sie versteht, nimmt Anlauf und springt Johnny entgegen in die Hebefigur, die sie während des Mambo-Acts vermasselt hat. Dies ist der Höhepunkt der gesamten Show – alle sind begeistert und tanzen neben den dirty dancers auf einer gemeinsamen Tanzfläche. Selbst ihren Vater hat Frances damit überzeugt. Schließlich haben sie und Johnny ja nur zusammen getanzt.
Seit Johnny nicht nur Frances mit seinem sexy Hüftschwung den Kopf verdreht hat, scheint er es vielen Männern auch nicht einfacher gemacht zu haben, ihre Tanzkünste auf den heimischen Saturday Night Fever–Floors zu präsentieren. Frauen, die diesen Film gesehen haben, könnten einen heimlichen, sehnsüchtigen Vergleich zu Johnnys hüftschwingenden Tanz ziehen, um sich selbst für einen Moment als sein Baby zu fühlen.
Anna