Anlässlich der aktuellen Ereignisse und Diskussionen rund um Sex, Gewalt, Macht und (Männer-)Privilegien macht es durchaus Sinn, sich Stanley Kubricks letzten Film „Eyes Wide Shut“ noch einmal vorzunehmen. Denn dieser auf Arthur Schnitzlers Werk „Traumnovelle“ basierende Film macht interpretativ seinem Namen alle Ehre. Vielleicht ist es Zeit, den Film mit offenen Augen zu analysieren.

Wenn Man(n) diesen Film gesehen hat, könnte Man(n) sich wohl nichts Aufregenderes vorstellen, als zu ähnlichen Gruppierungen zu gehören. Macht, Mysterien und Orgien könnten alle Wunschbilder des auf Männlichkeitsstereotypien getrimmten männlichen Menschen erfüllen.Wenn Frau diesen Film gesehen hat, weiss sie nicht so recht, ob sie sich als sexuell begehrenswertes und in der Welt der Mächtigen elementares, oder nur als ein nicht mit eigenen Rechten ausgestattetes und Sklaven-ähnlich ausgebeutetes Objekt empfinden sollte. Schon das durch männliche und offensichtlich einseitig dargestellte Machtverhältnis gegenüber den nackten, in sexuell unterwürfiger Darbietung abgebildeten Frauen, zeigt die männlich dominierte, von kirchlichen Einflüssen beherrschte westliche Logengesellschaft. Die ästethische Vollkommenheit der Frauenkörper und die sexuell-unterwürfige Orgienbereitschaft zeigen auch schön, wie die mediale Definition weiblicher Schönheit so normiert wird, dass übergewichtige Menschen, da im Film nicht vorkommen, als nicht massgeblich und aus diesem mächtigen Gesellschaftsteil als komplett ausgeschlossen zu verstehen sind.

Der Film ist sicherlich eine gute Disskussionsbasis für Debatten zu diskriminierenden wie auch aufklärererischen Strategien, in denen ausser Geschlechterverhälnissen auch andere Aspekte wie Macht, Status, Religion, Normen und Regeln zur Analyse gebracht werden könnten. Ausserdem werden durch das Thema des Filmes auch noch die ungleichen gesellschaftlichen Ansprüche an die Geschlechter in Bezug auf eheliche Treue deutlich gemacht. Während für Männer die Orgien und das Fremdgehen Prestige, Macht und damit wahrscheinlich auch stereotyp männliche Potenz bedeuten, werden die Frauen als Huren und unmoralische Lebenspartnerinnen in Frage gestellt. Die HauptdarstellerInnen des Filmes, damals auch in wahrem Leben ein Ehepaar, sind heute keines mehr – ein Umstand, der nach Veröffentlichung des Werkes von den Medien mit genüsslichem Interesse ausgeschlachtet und gedeutet wurde.

Was für die ZuschauerInnen am Ende des Filmes bleibt, ist der Zwang, über die eigene Partnerschaft, und im Besonderen über die Ehe, nachzudenken. Bei emanzipierten Menschen folgt eine Reflexivität über das Machtverhältnis der Geschlechter, deren westliche Stereotypien und die Folgen für eine heterosexuell orientierte Beziehung. Ich hoffe, die Nachdenklichkeit über die dargestellten Machtverhältnisse überwiegt die reine Schaulust, die mit klar am „male gaze“ orientierten Bildern im Film üppig bedient wird.