Ein Raum voller Träume
Ein Stück Utopie
Ein rosa Ort der Emanzipation?

Am 7. Mai 2011 war ein großer Tag für die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) der Universität Wien. Denn an diesem sonnigen Tag eröffnete sie das Café Rosa, ein Studibeisl mit hehren Zielen. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein ganz normales Café. Viele Menschen, viele Gespräche. Und doch ist es irgendwie anders. Das Café Rosa ist laut seiner Homepage als Ort gedacht, der „studieren und politisches Interesse (wieder) verbindet“. Ohne Konsumzwang, leistbar, barrierefrei und außerdem „basisdemokratisch, feministisch, antisexistisch, progressiv, antidiskriminierend, antirassistisch, emanzipatorisch, ökologisch-nachhaltig, antifaschistisch, antinationalistisch, antiklerikal, antipatriarchal, antiheteronormativ, antikapitalistisch und solidarisch“. Wenn schon Ideale, dann richtig! Dazu passt auch der symbolträchtige Name, der natürlich nicht besagt, dass dort alles rosa ist (wäre sicher auch lustig), sondern eben ein Raum, der an menschenrechtsbewegte Frauen wie Rosa Luxemburg, Rosa Mayreder, Rosa Parks oder Rosa Manus und ihren Einsatz erinnern möchte. Oder daran anknüpfen, je nachdem.

Das Café will im wahrsten Sinne des Wortes der Stinkefinger an alle KulturpessimistInnen sein und in die Welt hinaus schreien: „Seht, ein emanzipatorischer Raum IST möglich!“. Ein barrierefreies Lokal ist machbar. Ein nicht heteronormatives Lokal ist machbar (näheres dazu bei der denkwerkstatt). Faire, biologische Getränke, veganes und vegetarisches Essen zu leistbaren Preisen ist auch machbar. All das auch ohne strukturelle Ausbeutung der arbeitenden Personen, eine faire Bezahlung unabhängig von ihrer Tätigkeit ist machbar. Das Café Rosa ist in seiner Struktur gelebtes Ideal. Doch Ideale allein reichen nicht. Mit der Zeit wird sich zeigen, wie tragfähig diese idealisierte Struktur ist. Gerade Postulate von Basisdemokratie, Solidarität, Toleranz und Mitbestimmung funktionieren nur, wenn sie von vielen mitgetragen werden. Politik und Emanzipation funktionieren nur, wenn sie von vielen mitgetragen werden. Und so finden seit Juni regelmäßig Plena statt, die Interessierten ermöglichen, selbst an der Gestaltung des Cafés mitzuwirken. Es ist ein Ansatz eine politische Kultur zu etablieren und das Café seiner anonymen Funktion zu entheben. Es wird sich zeigen müssen, ob der bereitgestellte Raum auch mit politischem Leben gefüllt wird.

Räume, die nicht schon vorgedacht sind und keinen bestimmten Zweck, keine bestimmte Funktion erfüllen müssen, gibt es ziemlich selten und es werden immer weniger. Hier Lernen, dort essen, da entspannen. Und wo ist der Raum für kritisches Denken, für hinterfragen und politisieren? Der Raum eine Idee auch mal auszuprobieren? Könnte und sollte das die Hochschule sein? War die nicht mal dafür gedacht, irgendwann? Oder war sie schon immer mehr AusBildungsanstalt? Zweckfreie Räume sind auch in der Uni selten. Seminarräume sind entweder abgesperrt oder belegt. In der Bibliothek sind Gruppengespräche unerwünscht. Inwieweit im Lehrstoff Raum gelassen wird zum kritisch hinterfragen, unterscheidet sich wohl ziemlich je nach Studium, je nach Lehrperson, je nach Stoffumfang, je nach Prüfungsmodularität. Wohin also zum diskutieren, lernen und denken? Wie viele andere nutze auch ich dafür oft die Cafés in Uni-Nähe. Doch dann muss ich was konsumieren. Das macht was mit mir. Es ist eben nicht dasselbe, wenn ich pro forma eine Melange oder einen gespritzten Apfelsaft bestelle um dann mit meiner Gruppe lernen zu können. Weil ich sonst mehr oder weniger direkt gebeten werde, das Lokal für zahlende Gäste frei zu machen. Unabhängig davon, ob mir das jetzt ins Geld geht oder nicht. Ich will was bestellen, wenn mir danach ist – nicht weil es meine Berechtigungskarte zum Bleiben darstellt!

Das Café Rosa setzt genau dort an. Es zeigt auf, wie es gehen könnte. Wie veränderte Rahmenbedingungen einen Raum schaffen um Ideale auszuprobieren. Hier wird sich zeigen, wie ein feministischer Raum aussehen und gestaltet sein kann. Was braucht es dafür? Kann ein Lokal als definierter Konsumraum eben nicht nur am Konsum orientiert sein, sondern auch Aufenthalts- und Denkraum sein? Wie kann studieren, kritisieren und politisch sein im halböffentlichen Raum eines Beisls aussehen? Wie kann ein Raum sein und was braucht er, damit er aktiv Marginalisierung von Personengruppen entgegenwirkt? Natürlich spricht das Café Rosa eine sehr spezifische Gruppe Menschen an, nämlich Studierende, die sich tendenziell linkspolitisch und gesellschaftskritisch verorten. Doch wie bereits gesagt, physische Räume zum hinsetzen und nachdenken sind auch in Hochschulen selten. Kritisches Denken und Politik braucht Raum. Solchen zum Treffen und solchen zum Denken. Das und weitere Grundlagen habe ich ja schon in meinem letzten Artikel angesprochen.

Das Café Rosa ist daher in meinen Augen ein Versuch einen emanzipatorischen Raum zu schaffen. Ein Versuch die vielen Ideale mit Bedeutung zu füllen und zu überlegen, wie sie real umgesetzt werden können. Die Strukturen des Beisls sind danach ausgerichtet, mögliche Ausschlüsse zu minimieren. Das Café ist in seiner Besonderheit ein Schutzraum für Menschen, die sonst mehr oder weniger bewusst marginalisiert und benachteiligt werden. Einer der auf besondere Bedürfnisse wegen körperlicher Beeinträchtigungen, Toleranz sexueller Orientierungen oder gewisse Denkweisen Rücksicht nimmt, ohne diese als „anders“ oder „exotisch“ hervorzuheben. Es ist zugleich ein sehr öffentlicher Raum, der vielen Menschen zugänglich ist. Und nicht zuletzt darum ist es eine Schnittstelle zwischen Ideal(ismus) und Realität. Das Schwierige, das auf die Arbeitenden, VerwalterInnen und Interessierte im Café Rosa noch zukommt, ist, diesen greifbaren Raum und seine Strukturen mit Leben zu füllen. Menschen, die sich zu etwas bekennen und aktiv dafür eintreten. Nur so kann ein Raum wirklich ein FREI-Raum für Emanzipation sein.