Ich will eine bessere Welt. Am liebsten jetzt sofort!
Doch woher weiß ich, was „besser“ ist? Besser als was soll sie sein? Wo lege ich den Maßstab für „besser“ und „schlechter“ an? Wo ist der Nullpunkt? Wo fange ich eigentlich an?

Nehmen wir als Beispiel das Thema der letzten Woche: PartnerInnenschaft.
Die Meisten von uns werden sich schon mal Gedanken darüber gemacht haben. Wie soll die ideale Frau, der ideale Mann, die ideale Beziehung aussehen? Als bekennende Feministin sage ich dann natürlich: Ich will eine gleichberechtigte PartnerInnenschaft. Wenn sie gleichberechtigt sein soll – was verstehe ich, was verstehst du darunter? Diese Überlegungen und das Formulieren, Gestalten von Begriffen ist ein heikles Unterfangen.

Woher weiß ich denn, was mir gefällt und was nicht? Kann ich sagen, wie es sein soll, wenn ich noch nie eine Partnerschaft hatte? Muss ich wirklich alles selbst erlebt haben wie die berühmt-berüchtigte Herdplatte? Das würde bedeuten, die erste Beziehung ist immer die ideale. Und zugleich die schlechteste. Weil eben kaum persönliche Vergleichsmöglichkeiten vorhanden sind.
Andererseits bin ich keine leere Tafel, sondern eingebunden in einen bestimmten Kontext, ein soziales Umfeld. Das mich tagtäglich mit Situationen konfrontiert. Mir zeigt, wie es funktionieren kann oder auch nicht. Ich könnte mir ein Beispiel an anderen Personen nehmen, Ideen und Ideale an ihren Realitäten orientieren. Sie nach ihren Utopien befragen und mir dann ein Stück davon abschneiden. Ich weiß nicht, ob es mir auch gefallen könnte aber ich kann es ja mal ausprobieren. Oder?
Denn das wirft mich wieder auf mich und meine Situation zurück. Ich muss es dann doch erleben und für mich als tragbar oder nicht tragbar bewerten. Es ist ein ständiger Austausch. Ich beginne immer bei anderen und muss es doch selbst tun, selbst denken, selbst gestalten. Eine eigene Utopie bauen. Diese wirkt dann wieder auf andere. An ihr können sie sich orientieren, mich fragen, sich ein Stück davon abschneiden. Ob es für sie passt, weiß ich nicht, das müssen sie schon selbst probieren.

Es gibt Sachen, die wünsche ich mir und kann sie mir nicht vorstellen. Kann sie auch nicht bei anderen „abgucken“. Eine Welt ohne Krieg. Eine Welt, in der Geschlecht nichts über den Wert einer Person aussagt. Eine Welt, die sich nicht selbst zerstört.
Dass ich diese Welt möchte und mögen könnte, mache ich daran fest was ich jetzt furchtbar finde. Krieg. Wertzuschreibungen nach Geschlecht oder Ethnie oder Kaufkraft oder Bedürftigkeiten. Massentierhaltungen. Ölplattformkatastrophen. Das „Anti“ dieser und ähnlicher Begebenheiten ist mein „Pro“, meine Utopie.
Wenn ich aber das Bekannte, das Jetzt zumindest als Blaupause, als Anti-Utopie brauche – Kann ich überhaupt das bestehende System verlassen, mich außerhalb dessen definieren? Kann ich mir Dinge abseits von dem vorstellen, das ich kenne? Wenn Utopie immer ein Nicht-wie-jetzt ist, was mache ich mit dem, das mir am Jetzt gefällt? Kann ich das behalten?

Bleiben wir bei dem Beispiel der gleichberechtigten Beziehung. Was sie nicht sein kann und soll, entnehme ich vor einer ersten Beziehung anderen Quellen. Eltern, FreundInnen, Bekannten, Medien. Und sobald ich dann eine Person habe, mit der ich eine nähere Bindung eingehen möchte, liegt die Hälfte dessen was ich mir vorstelle, nicht mehr in meinen Händen. Weil der andere Mensch auch seine oder ihre Vorstellungen und Wünsche und Erfahrungen mit „hinein bringt“. Und auch wenn es zu meinen Idealvorstellungen gehört, eine harmonische PartnerInnenschaft zu führen – ich weiß vor dem eigenen Erleben nicht, wie ich damit umgehe, wenn es doch einmal zum Streit kommt. Oder wenn eine Person fremdgeht. Wenn eine Person sich vernachlässigt fühlt. Wenn eine von beiden entgegen eigenem Wollen vielleicht weniger Geld hat und obwohl sie es prinzipiell ablehnt, doch von der anderen finanziell abhängig ist. So etwas ist nur sehr schwer abzusehen und kommt in einer Utopie nicht vor.

Wäre ja auch eine seltsame Utopie, wenn sie nicht den Hauch von „perfekt sein“ hätte.

Was mache ich, wenn ich doch in einer unperfekten Welt lebe? Wenn ich ein bisschen mehr perfekte Welt haben will? Bleibt mir da etwas anderes, als mich und meine Handlungen immer wieder zu hinterfragen und zu versuchen sie dem Ideal anzupassen? Meinen Partner ernst zu nehmen. Ihn zu schätzen. Ihm keine Gewalt anzutun, weder psychisch noch physisch. Mit ihm zu sprechen, mich zu öffnen und von meinen Ängsten und Wünschen zu erzählen. Damit auch er die Möglichkeit hat sich und seine Handlungen zu hinterfragen und mit mir ein Stück der idealen Beziehung zu leben?

Ich denke, die Utopie beginnt im Jetzt, bei mir. Bei dem was ich mag und nicht mag. Bei dem, was ich tue und nicht tue. Und jeder Schritt in ihre Richtung führt mich zu neuen Erfahrungen, zu neuen Utopien.