Brust raus, Bauch rein, die Lippen geschürzt – in solchen sexualisierten Posen zeichnete die US-Comic-Künstlerin Megan Rose Gedris Superhelden für ihre Serie „Dressed to Kill“ und veröffentlichte sie auf ihrem Blog. Allerdings sind es nicht Wonderwoman und Co., die sich lasziv über den niedergestreckten Bösewichten räkeln – sondern Männer. Der Effekt ist frappierend. Im Missy-Interview erklärt Gedris, was hinter diesen gezeichneten Parodien steckt.

Missy Magazine: Du hast männliche Superhelden in Posen und Kostümen gezeichnet, in denen normalerweise Comic-Heldinnen dargestellt werden.

Megan Rose Gedris: Zunächst wollte ich einen Text darüber schreiben, wieso ich weibliche Superhelden problematisch finde. Da mir als Zeichnerin die visuelle Darstellung jedoch näher liegt, habe ich diese Methode gewählt, um das auszudrücken, was ich aufschreiben wollte. Bei der Recherche im Internet bin ich ziemlich schnell auf sexualisierte Darstellungen von Heldinnen gestoßen, an denen ich mich dann orientiert habe.

Wie werden SuperheldInnen typischerweise dargestellt und was ärgert dich daran?

Wenn man sich die Cover von Comicbüchern anschaut, sieht man, dass männliche Charaktere fast immer in aktiven Posen gezeigt werden: Sie rennen, springen, boxen oder treten. Weibliche Charaktere tun so etwas auch manchmal, aber meistens sind sie in passiven Posen gezeigt, also sitzend, stehend oder in der Hocke. Neben der Tatsache, dass sie durch diese Posen weniger aktiv wirken, tendiert die spezielle Art, wie sie sitzen oder stehen dazu, dass ihre Brüste, Hintern, Hüften und auch der Schritt stark betont werden. Manche Künstler zeichnen Frauen so, dass man ihre Brüste und ihren Hintern gleichzeitig komplett sieht, was nicht gerade wirklichkeitsgetreu ist – außer ihre Superkraft besteht darin, sich wie eine Gummispinne verbiegen zu können. Die Kostüme von Männern bedecken bis auf wenige Ausnahmen meistens den ganzen Körper. Bei weiblichen Charakteren ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ihre Kostüme aus viel weniger Material bestehen und meist unpraktisch für ihren „Job“ sind, denn sie tragen High Heels, große Ohrringe und Oberteile, die man ankleben müsste, damit sie sitzen.

Warum werden Superheldinnen üblicherweise so viel stärker sexualisiert dargestellt als Superhelden?

Comics gehen in den meisten Fällen vom männlichen Blick aus. Auch Frauen werden dazu eingeladen, hinzuschauen, aber sie bleiben letztlich Außenstehende: SuperheldInnen-Comics sind in den meisten Fällen von und für Männer gemacht. Einige männliche Freunde haben mir erzählt, dass solche Comics eine Art Einführung in die Pornografie für sie waren, als sie noch zu jung waren, um sich den Playboy zu besorgen – durch das Internet ist das heute natürlich kein Problem mehr. Und ich habe gehört, wie ältere Comic-Zeichner jüngeren Tipps für das Zeichnen von Frauen gegeben haben und dabei allen Ernstes auf den Playboy als Inspirationsquelle verwiesen haben. Sie sollten lernen, Frauen zu zeichnen, indem sie sich Mainstream-Porngrafie anschauen!

Kennst du auch Ausnahmen: Superheldinnen, die nicht sexualisiert dargestellt werden?

Es gibt ein paar, aber man muss sich vom Mainstream entfernen, um sie zu finden. Japanische Mangas, Independent Comics oder Webcomics sind die Felder, in denen es für Frauen einfacher ist, kreativ zu werden – und der weibliche Input nimmt Einfluss darauf, wie Frauen dargestellt werden. „Runaways“ kann ich auf jeden Fall empfehlen, denn die ist voll von interessanten, fähigen und nicht-sexualisierten Frauen, beziehungsweise Mädchen, denn sie sind alle unter 18.

Die Bilder hast du Ende 2010 veröffentlicht. Welche Reaktionen haben deine Parodien bisher hervorgerufen?

95 Prozent der Leute haben den Punkt, auf den ich mit dieser Serie hinaus wollte, verstanden. Da die Zeichnungen viel verlinkt worden sind, kam es aber auch zu negativen Rückmeldungen nach dem Motto: Die versteht das nicht! Comics sind doch nur was für Männer! Das hat mich im 21. Jahrhundert sehr überrascht. Der Hauptkritikpunkt war jedoch, dass die Männer selbstverständlich dämlich aussähen, weil Frauenkleidung an Männern allgemein dämlich aussehen würde. Aber der Punkt, auf den ich hinaus wollte, war, dass alle SuperheldInnen – unabhängig von ihrem Geschlecht – in diesen Kostümen und Posen einfach dämlich aussehen!

Megan Rose Gedris lebt in Michigan und arbeitet als Illustratorin und Comic-Zeichnerin. „Darlin‘ It’s Betta Down Where It’s Wetta“ ist einer ihrer Erwachsenen-Comics und handelt von einem Mädchen, das sich in eine Meerjungfrau verliebt. „Manche Leute wundern sich, wieso ich, die selbst Pornografie zeichnet, sich gegen die Sexualisierung von Comic-Charakteren ausspricht“, sagt Gedris. Aber gerade, weil sie sich künstlerisch mit Pornografie beschäftigt, hat sie einen Blick für sexuelle Ausbeutung in Comics entwickelt. Mit Geschlechterrollen hat Gedris sich zum Beispiel auch schon in ihrem Comic „I Was Kidnapped By Lesbian Pirates From Outer Space!!!“ befasst.

rosalarian.tumblr.com

Noch mehr zu weiblicher Comickultur lest ihr im Comic-Dossier der aktuellen Missy! Darin zum Beispiel auch ein Gespräch mir der Künstlerin Jule K., deren Protagonistin Nele durch den Verzehr vergorener Kirschen Superkräfte bekommt.

Interview: Ana Maria Michel

Bild: Megan Rose Gedris