Kein Rechtsanspruch auf ein Kind? Künstliche Befruchtung für alle Frauen
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Als im Juli die Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik im Bundestag geführt wurde, twitterte ein Bundestags-Mitarbeiter (der gegen PID war) „Außerdem gibt es keinen Rechtsanspruch auf ein Kind“. Daran musste ich in letzter Zeit oft denken, weil ich diesen Satz (mal ganz unabhängig von der PID-Debatte) so absurd fand. Reproduktion und Recht – darüber kann viel diskutiert werden (Abtreibung, PID, Pränataldiagnostik, Leihmutterschaft …), aber das Kinderkriegen lässt sich ja kaum in Rechtsansprüchen denken. Gegen wen sollte man einen solchen Anspruch auch geltend machen? Oder?
Natürlich kann man niemanden verklagen, wenn man sich ein Kind wünscht. Rechtsansprüche gibt es auf Dinge oder Leistungen, die irgendjemand erbringen kann bzw. rechtlich verpflichtet ist zu erbringen (staatliche Sozialleistungen, vertraglich Vereinbartes ect.). Gegen wen würde sich ein Anspruch auf ein Kind also richten? Reproduktion ist auf der anderen Seite ein stark verrechtlichter Bereich und gerade im Themenfeld der medizinisch assistierten Fortpflanzung fällt auf, dass es tatsächlich keinen Rechtsanspruch aller Frauen auf ein Kind gibt.
In diesem Beitrag soll es darum gehen, warum das so ist und warum ich der Meinung bin, dass es tatsächlich einen Rechtsanspruch aller Frauen auf ein Kind braucht.
Ärztekammer-Richtlinien – „Künstliche Befruchtung“ nur für Hetero-Paare
Rechtlich zulässige Methoden der künstlichen Befruchtung (nicht alles, was medizinisch möglich wäre, ist in Deutschland auch erlaubt, wie zum Beispiel Leihmutterschaft) sind nach den Richtlinien der Bundesärztekammer nur heterosexuellen Paaren zugänglich, die eigene Fortpflanzungszellen verwenden können. Im Jahr 2006 wurden die Richtlinien von ausschließlich verheirateten Paaren auf unverheiratete Frauen erweitert, die mit einem Mann in einer verfestigten Partnerschaft leben.
Krankenkassen – Kosten werden nur für Verheiratete übernommen
Die Krankenkassen übernehmen für verheiratete Paare drei Versuche einer künstlichen Befruchtung (§ 27 a SGB V). Alle anderen tragen diese zum Teil nicht unerheblichen Kosten selbst. Oft reichen drei Versuche nicht aus, auch dann müssen die betroffenen Paare alle weiteren Versuche selbst tragen.
Lösung – Lügen oder Ausland
Was ist nun Single-Frauen oder lesbischen Paaren zu raten? Natürlich gibt es ÄrztInnen in Deutschland, die nicht so genau nachfragen, ob eine Frau mit dem Samenspender in einer verfestigten Partnerschaft lebt. Und dann gibt es noch den Weg ins Ausland, zum Beispiel nach Dänemark oder in die Niederlande, wo Samenbanken und die Reproduktionsmedizin auch Frauen ohne männlichen Partner oder Hetero-Paaren ohne funktionierende Samenzellen zur Verfügung stehen. Das kann man natürlich alles abtun mit dem Argument „Es gibt keinen Rechtsanspruch auf ein Kind“. Man könnte auch bevölkerungspolitisch argumentieren, wie das die Bundesfrauenministerin Kristina Schröder getan hat und bessere Kostenübernahme der künstlichen Befruchtung nur für Hetero-Paare fordern (hier mein Blogeintrag dazu), das führt aber wiederum zum Aussschluss bestimmter Gruppen und weist außerdem Frauen die Verantwortung für irgendwelche demographischen Horrorszenarien zu.
Ich finde, das Thema ist eben doch eine Frage individueller Rechte. Jede Frau muss frei und selbstbestimmt entscheiden können, ob und wann sie ein Kind will. Auch wenn ein Kind nicht eingeklagt werden kann – der Zugang zu künstlicher Befruchtung sollte unabhängig von sexueller Orientierung, Familienstand oder dem Bestehen einer Partnerschaft für alle möglich sein.